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Woher kommt der Schmerz?

Rheumatoide Erkrankungen und ihre Behandlung als Thema beim Mini Med-Abend.
Der Vortrag als Video

Primar Dr. Günter Höfle vom LKH Hohen­ems begann den Vortrag im Wolfurter Cubus mit den verschiedenen Rheumaerkrankungen. „Es gibt 400 verschiedene“, so der Fachmann, „der Begriff Rheuma steht für fließenden Schmerz. Die große Kunst des rheumatologisch tätigen Arztes ist es nun, herauszufinden, warum der Schmerz zustandekommt.“

Verschiedene Erkrankungen

Der Primar stellte die Rheumatoide Arthritis und entzünd­liche Wirbelsäulen­er­krankungen (Morbus Bechterew, Gelenksentzündung bei Schuppenflechte, chronisch entzündliche Darmerkrankungen) vor. Hinter der Kristallarthropathie versteckt sich die Gicht, auch die reaktive Arthritis (Gelenksentzündung im Anschluss an Infektionen) wurde erklärt. Schließlich kamen die Polyarthrose, die Abnützung der Knorpel in den Gelenken, sowie die Fibromyalgie (Weich­teilrheuma) zur Sprache. Dr. Höfle erklärte, welche Beschwerden auf welche Erkrankung hindeuten, auch wenn natürlich nur der Fachmann eine genaue Diagnose stellen und Behandlungsmöglichkeiten einleiten kann. Die Schuppenflechtenkrankheit (Psoriasis) etwa betrifft nicht nur die Haut, sondern kann auch innerlich Auswirkungen auf die Gelenke haben. Bei der Gicht können die Patienten die Harnsäure im Körper nicht richtig abbauen, was sich vor allem in den Gelenken sehr schmerzhaft auswirkt. Hauptauslöser sind starker Fleisch- und Alkoholgenuss – die Gichtschübe können unbehandelt immer wieder kommen und sogar Schädigungen der Niere mit sich bringen.

Sehr schwierige Diagnose

Das Hauptproblem der rheumatoiden Arthritis ist die Diagnose – aufgrund der unklaren Symptome ist es nicht so ganz einfach, der Erkrankung auf die Spur zu kommen. Der Rheuma-Faktor, ein „gegen den körpereigenen Abwehrstoff gerichteter Abwehrstoff des Immunsystems“, spielt dabei eine wesentliche Rolle: „Das klingt paradox, ist aber ein wesentlicher Faktor – 70 bis 80 Prozent der Rheumapatienten haben einen positiven Wert.“

Primar Dr. Christian Huemer vom LKH Bregenz beschäftigte sich mit dem Rheuma im Kindes- und Jugendalter. Das Spektrum reicht dabei von der chronischen Arthritis (Gelenksentzündung), Kollagenosen bis zu Gefäßentzündungen und Fieberschüben, die eine Rheumaerkrankung als Ursache haben. Die Behandlung ist nicht einfach, durch neue Medikamente haben sich die Möglichkeiten in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Dr. Höfle widmete sich der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis. Die reicht von der Ernährung über Ergo- und Physiotherapie, den Knochenschutz (durch Medikamente und eine Trainingstherapie), Schutz vor Gefäßverkalkung (nicht rauchen, Bewegung, Cholesterin und Blutdruck optimal einstellen) sowie lokalen Infiltrationen (Injektionen in einzelne Gelenke). Schließlich kann auch eine Operation – etwa die Versteifung einzelner Gelenke oder sogar ein Gelenksersatz – die Lösung der Probleme bringen. Auch der Nutzen von Impfungen, da Rheumakranke durch die Störung des Immunsystems etwas infektanfälliger sind, wurde vom Primar betont.

Medikamentöse Methoden

Primar Huemer zeigte die medikamentösen Behandlungsmethoden. „Therapieziel ist es nicht, die Ursache der Krankheit zu beseitigen – eine kausale Therapie ist nicht möglich.“ Es geht vielmehr darum, die Krankheitsaktivität zu eliminieren, Gelenksfunktionen zu normalisieren sowie Langzeitschäden zu verhindern. Damit sollen auch Schäden an inneren Organen verhindert sowie die Lebensqualität allgemein gesichert werden. Die Stufe eins der Therapie sind traditio­nelle Entzündungshemmer. Danach kommt die wesentliche Stufe, die Basistherapie. Darunter versteht man eine Blockade der Entzündungs-Botenstoffe. Wenn alles nicht funktioniert, stehen inzwischen auch ganz neue Medikamente zur Verfügung.

Diese Biologika erklärte Dr. Höfle zum Abschluss des Vortrags: „Mit diesen Weiterentwicklungen können die Entzündungen viel besser kontrolliert werden.“

Fragen aus dem Publikum

Was ist die Ursache einer Fibromyalgie?

Primar Höfle: Die kennen wir leider nicht. Es gibt einige Auslöser, wie Infekte oder Unfälle – aber warum es zu dieser Schmerzverarbeitungs­störung kommt, wissen wir leider noch nicht.

Primar Huemer: Bei den Jugendlichen, vor allem bei Mädchen, sehen wir diese Erkrankung immer häufiger. Von der Konstellation sind das oft Jugendliche, die sehr leistungsbewusst sind und sich selbst unter Druck setzen. Das ist ein Zeitphänomen und hat auch mit dem Faktor Stress zu tun. Das beunruhigt uns natürlich sehr.

Wie viele Kinder bekommen in Vorarlberg schon diese TNF-Alpha-Blocker?

Primar Huemer: Die Alpha-Blocker sind seit zehn Jahren bei Kindern zugelassen, da sind wir jetzt auch absolut großzügig. Im Moment sind es 14 Kinder, die in Vorarlberg TNF-Alpha-Blocker erhalten.

Wie kann der Laie Ischias und Rheuma unterscheiden?

Primar Höfle: Die Ischias­problematik ist meistens sehr einseitig, so dass sie vom unteren Teil der Lendenwirbelsäule ausstrahlend über das Gesäß in ein Bein weiter fort ausstrahlt – und meistens nicht das ganze Bein betrifft, sondern nur die Innen- oder die Außenseite. Rheuma betrifft meistens viele verschiedene Gelenke, und auch Gelenksregionen – nicht große Muskel- und Gewebeanteile. Das ist so ein Anhaltspunkt, aber letztlich ist es für einen Betroffenen schwierig, das zu unterscheiden. Da braucht es oft auch Zusatztests.

Kann der Arzt bei einer MRT-Untersuchung den Unterschied zwischen Arthrose oder Rheumatismus erkennen?

Primar höfle: Unter Umständen ja – es beantwortet nicht immer alle Fragen, aber es kann sehr hilfreich sein. Ergänzend dazu haben wir mit der Ultraschallmethode eine gute Unterstützung.

Was halten Sie von Teufelskralle, wenn man Gelenksentzündungen hat?

Primar Huemer: Es gibt einen Kollegen auf der inneren Medizin in Innsbruck, der sich besonders damit befasst hat. Ich würde das auf der Ebene der möglichen unterstützenden Aspekte sehen. So wie Fischöl oder Omega-3-Fettsäuren – eine mögliche, unterstützende Maßnahme, über deren Effekt wir aber noch zu wenig wissen.

Kann man in Hohenems auch ambulant vorbeikommen oder haben Sie eine eigene Praxis?

Primar Höfle: Beides. Wir haben eine Rheumaambulanz, wo man auf Zuweisung eines Haus- oder Facharztes einen Termin zur Untersuchung bekommen kann. Ohne Zuweisung geht es nicht.

Wenn man eine Blutuntersuchung macht, und keine Entzündungen festgestellt werden – man hat aber trotzdem Gelenksveränderungen?

Primar Höfle: Ein normaler Blutwert schließt eine Rheumaerkrankung nicht aus. Man muss weitere Untersuchungen machen – es gibt durchaus rheumatoide Arthritis, die tastbar ist, aber in den Blutwerten noch nicht festgestellt werden kann.
Die Art der Entzündung
kann sich eben ganz unterschiedlich zeigen – das ist auch die Schwierigkeit, Rheuma-Erkrankungen richtig zu erkennen und zu behandeln.

Mit dem Cortison sind sich die Ärzte ja oft uneinig?

Primar Höfle: Ich bin mir sehr einig. Cortison ist ein ganz wichtiges Medikament für verschiedene Rheuma-Erkrankungen. Aber: Je nach Situation und je nach den Möglichkeiten, die man hat. In einer bestimmten Rheumasituation ist es ganz wichtig und unverzichtbar, in einer anderen kann man noch warten und mit anderen Medikamenten auch ein gutes Ergebnis erzielen. Es bleibt immer ein Abwägen, ob das Cortison mehr Vor- oder Nachteile bringt. Wie bei jedem anderen Medikament auch.

Haben Frauen ein größeres Gesundheitsrisiko wegen der Hormone?

Primar Huemer: Ja. Frauen sind in bestimmten Phasen ihres Lebens – Schwangerschaft, Geburt oder Stillphase – einem höheren Risiko ausgesetzt. Der Beginn einer Rheumaerkrankung kann um die Geburt eines Kindes sein – das hat dann schon mit den Hormonen zu tun. 
 

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