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"Wir können uns keinen Reibungsverlust leisten"

Die VN trafen ÖFB-Präsident Dr. Leo Windtner während seines Ski-urlaubs in Lech und ließen ein Jahr Amtszeit Revue passieren.

Im Vorjahr meinten Sie nach ihrem Amtsantritt: Das Hauptziel innerhalb des nächsten Jahres muss sein, eine neue Begeisterung für den Fußball in Österreich zu entfachen. Würden Sie dieses Vorhaben als gelungen einstufen?
Leo Windtner:
Eine solche Begeisterung ist durchaus zu spüren, auch wenn sie natürlich vor allem ergebnis-orientiert ist. Nicht zuletzt deshalb war es wichtig, dass wir das Auftakt-Länderspiel gegen Dänemark gewonnen haben. Zumal Leistung und Resultat gestimmt haben. Kamerun und Spanien waren diesbezüglich Ausnahmen, ansonsten waren die Leistungen des Nationalteams unter Didi Constantini in Ordnung. Es ist zu spüren, dass sich ein positiver Mannschaftsgeist entwickelt hat. Das Kollektiv ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Auch deshalb orte ich eine wesentlich andere Grundstimmung.

Dann ist ihre Wiederwahl bei der ÖFB-Hauptversammlung am 30. Mai sozusagen eine “gmahte Wiesn”?
Windtner: Jedenfalls habe ich nicht die Sorge, abgewählt zu werden.

Zurück zum Nationalteam. Wie stehen Sie den andauernden Personaldiskussionen gegenüber?
Windtner:
Auch deshalb war der Dänemark-Sieg enorm wichtig. Ansonsten hätte uns die Ivanschitz-Debatte weiter verfolgt. Die wichtigste Arbeit des Teamchefs ist es nun, eine Stammformation zu finden.

Eine schwierige Sache bei den vielen Neulingen, die unter Didi Constantini Teamluft schnuppern durften?
Windtner:: Dem halte ich entgegen, dass so einige Talente gefunden wurden, die zu Säulen im Nationalteam wurden und sich in weiterer Folge auch bei ihren Klubs zu arrivierten Spielern gemausert haben. Das ändert aber nichts an meiner Forderung nach einem Stamm. Auch deshalb wollen wir unser Beobachtungssystem auf eine neue Basis heben. Als Österreich können wir es uns nicht leisten, Spieler, die im Ausland nicht erste Wahl sind, automatisch von einer Teameinberufung zu befreien. Es wird wichtig sein, die Spieler enger zu begleiten. Wir denken aber auch über ein nationales Scouting-System nach, in das auch ehemalige Nationalspieler eingebunden werden. Michael Baur wäre für mich ein idealer Kandidat.

Zuletzt haben der Teamchef und U-21-Coach Andreas Herzog Nettigkeiten über die Medien ausgetauscht. Anlassfall war Marko Arnautovic. Das kann Ihnen doch nicht gefallen haben?
Windtner:
Derartige Reibungspunkte können wir uns einfach nicht leisten. Das habe ich den betroffenen Herren auch in aller Deutlichkeit gesagt. Kommunikation ist für mich ein wichtiger Faktor, aber dann bitteschön intern und zielführend.

Im vergangenen Herbst hat die Staatsanwaltschaft in Bochum mit dem Wettskandal im internationalen Fußball eine “Bombe” platzen lassen. Manipulationsvorwürfe gab es in Richtung Österreich. Bis auf viele Verdächtigungen ist es danach still geworden. Ihre Meinung dazu?
Windtner:Uns wurde von Einzelfällen in Österreich berichtet. Persönlich gehe ich aber davon aus, dass Österreich im internationalen Vergleich eine untergeordnete Rolle spielt. Wir haben in Nyon bei der UEFA nachgefragt, haben dort nichts erfahren. Jetzt haben wir das Justizministerium eingeschaltet, um bei der damit beauftragten Staatsanwaltschaft in Graz nachzuhaken.

In der Bundesliga steht die Lizenzierung ins Haus. Viele Klubs haben akute Finanzprobleme, etwa Kärnten. Aber auch in der ADEG-Liga droht es zu krachen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Windtner:Dass es in Österreich nicht 20 Profiklubs verträgt. Die Wirtschaftskrise hat ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. Dazu kommt, dass in manchen Klubs Nachhaltigkeit ein Fremdwort ist.

Heißt im Klartext, dass die Ligaeinteilung nicht einzementiert ist?
Windtner:  Wir brauchen eine starke zweite Liga, ohne Frage. In welcher Form aber diese gespielt wird, ist Sache der Bundesliga. Es muss allerdings erlaubt sein, über andere Möglichkeiten nachzudenken. Zumal aus jetziger Sicht auch die Regionalligen ein echtes Problem darstellen.

Der neue TV-Vertrag für die Fußball-Bundesliga erhitzt derzeit die Gemüter. Muss für Sie Vereinsfußball zwingend im Free-TV zu sehen sein?
Windtner:Für mich ist ein optimaler Mix entscheidend. Wie dieser auszusehen hat, behalte ich für mich, denn auszuhandeln hat dies die Liga. Mein Wunsch ist es, dass sie einen ordentlichen Vertrag unter Dach und Fach bringen.

Sie haben den ÖFB mit den von ihnen initiierten Umstrukturierungen modernisiert. Ist dieser Prozess bereits abgeschlossen oder gibt es für Sie noch Ansetzpunkte?
Windtner:  Organisatorisch ist Österreich, darauf dürfen wir stolz sein, gut aufgestellt. Das Projekt 2012 ist auf Schiene. Stillstand bedeutet Rückschritt. Deshalb schwebt mir ein ordentliches nationales Zentrum für den Fußball vor. Seien wir doch ehrlich. Im Happelstadion haust der ÖFB wie in einem Vogelkäfig. Ich denke an ein Trainingsquartier mit kompletter Infrastruktur für das Nationalteam, gepaart mit einem Kompetenzzentrum.

Das jedoch wird Geld kosten?
Windtner:  Der ÖFB ist ja kein Sparverein. Zudem gibt es dafür Fördermittel von der UEFA. Schauen Sie über die Grenzen: Beim FC Bayern gilt das von Jürgen Klinsmann initiierte Trainingszentrum immer noch als dessen größte Tat.

Apropos FC Bayern. Eine ganz wichtige Tat von Didi Constantini war wohl, David Alaba im Team einzusetzen?
Windtner:Wäre es gegen Frankreich nicht so passiert, würden ihn die Bayern jetzt wohl überreden, Deutscher zu werden.

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