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"Wir haben es euch gezeigt!"

Das weltweite Lob für eine perfekte Organisation der Olympischen Spiele nach allseits vorhergesagtem Chaos hören viele Griechen gern, vor allem aber mit Zorn im Bauch. - Zukunft der Sportstätten ungewiß - Bleiben nur Ruinen?

Fotis Dimakopoulos, Kioskbesitzer an der Kirche Agios Andreas im Athener Stadtteil Kato Patissia, garniert die Aushändigung der Morgenzeitungen nach mehr als zwei Wochen Olympia ohne Panne gern mit einem Kommentar: „Na bitte, wir haben es den Besserwissern gezeigt.” Dimakopoulos gehört zur Mehrheit unter den elf Millionen Griechen, die die Abstempelung ihres Landes als chaotisch und unfähig zu planvoller Vorbereitung gekränkt hat. „Manche stellen tolle Bauten sechs Jahre vorher hin und lassen sich davor fotografieren, andere werden sechs Minuten vor dem Startschuss fertig”, erklärt er.

Weder bei Gesprächen auf der Straße noch in Medienkommentaren ist überschwängliche Freude zu spüren, weil statt Verkehrskollaps, Wettkämpfen auf Baustellen und Chaos bei den Unterkünften alles bestens geklappt hat. „Jetzt haben wir einen ganzen Zeppelin voll Geld für die Sicherheit ausgegeben, und passiert ist gar nichts”, ließ ein Karikaturist einen richtig böse blickenden Athener sagen, über dem das Überwachungs-Luftschiff schwebt, das jede Bewegung im und um das Olympiastadion minutiös überwacht.

Natürlich sind auch die griechischen Gastgeber erleichtert, dass Terroraktionen bis kurz vor der Abschlussfeier ausgeblieben sind. Aber die Öffentlichkeit registriert auch mit einer gewissen Verbitterung, dass die gigantische Ausweitung der Kosten für Sicherheit auf eine Milliarde Euro durch Druck von außen, vor allem aus den USA, zu Stande gekommen sei. „Wir haben jetzt nur wegen der Spiele eine neue Industrie, die von Terrorhysterie lebt”, meint Dimakopoulos, der sich in seinem Land von Terror nicht bedroht fühlt.

Beim Gespräch über das Gelingen des Unternehmens Olympia 2004 erinnern Athener auch an das Scheitern der Olympia-Bewerbung für 1996 zum 100. Jubiläum der ersten modernen Spiele an gleicher Stätte. Mit der Vergabe dieser Spiele an Atlanta, dem Stammsitz von Hauptsponsor Coca-Cola, “war die Olympia-Idee für uns Griechen tot. Letztlich geht es nur ums Geschäft”, sagt der Kioskbesitzer aus Kato Patissia. Er freut sich auf nächste Woche, wenn die „Besserwisser mit ihrem Riesenzirkus endlich weg sind”.

Bleiben von Olympia nur Ruinen?

Das Olympische Feuer in Athen ist noch nicht erloschen, da hat das große Einpacken schon begonnen. In den Fußballstadien von Volos, Patras und Heraklion (Kreta) wurden die Büromöbel, Computer und andere technische Einrichtungen bereits abgebaut, in Patras sogar die Torpfosten. Was mit diesen – für Olympia gebauten – Arenen geschehen soll, ist völlig unklar.

Dies gilt auch für das große Athener Olympiastadion und die meisten anderen Sportstätten. Niemand kann sagen, wie die olympischen Stadien und Hallen künftig genutzt werden. Viele Griechen befürchten, dass die – von den Olympia-Teilnehmern in höchsten Tönen gelobten – Arenen schon bald ungenutzt zu Sportruinen verkommen könnten.

Griechenland hatte in einem Wettlauf mit der Zeit die Sportstätten gerade rechtzeitig fertig gestellt. Nach Olympia beginnt ein neuer Wettlauf: Sobald das Olympische Feuer im Stadion erloschen ist, leitet die Regierung die Suche nach neuen Nutzern ein.

Wie schon damals beim Bau ist auch jetzt Eile geboten. Nach einer Studie der Universität Thessaloniki verschlingt die Instandhaltung der Olympia-Anlagen 84 Millionen Euro im Jahr. „Selbst wenn wir die Anlagen intensiv nutzen, werden wir nur einen Teil der Kosten wieder hereinbekommen“, weiß Christos Chatziemmanouil, Chef der staatlichen Gesellschaft für die Verwaltung der Olympia-Bauten.

Allein beim Karaiskaki-Stadion in Piräus ist die Frage der Nutzung geklärt. Die Arena mit 30.000 Plätzen wird künftig die neue Heimstätte des Fußballclubs Olympiakos sein. Aber schon beim Olympiastadion beginnen die Probleme. Der griechische Fußballmeister Panathinaikos Athen könnte dort seine Spiele in der Champions League austragen. Dies ist aber noch nicht entschieden.

Der UEFA-Cup-Teilnehmer AEK Athen hat sein Stadion abreißen lassen und nun kein Geld für ein neues. Das Olympiastadion böte sich als Alternative an, dürfte mit seinen 74.000 Plätzen aber eine Nummer zu groß sein. Völlig offen ist auch, wer künftig die neuen Fußballstadien in Patras, Volos oder Heraklion mit Zuschauern füllen soll. Patras und Volos haben keine Erstliga-Vereine; in Heraklion kickt der Erstligist OFI in seinem eigenen Stadion.

Auf dem Gelände des alten Athener Flughafens im Stadtteil Hellenikon, wo bei Olympia unter anderem die Wettbewerbe im Baseball, Softball, Hockey und Fechten ausgetragen wurden, droht mehreren Stätten der Abriss. Hier soll einmal einer der größten Freizeit- und Vergnügungsparks in Europa entstehen. Diese Pläne stehen allerdings bisher nur auf dem Papier.

Dagegen gibt es für das Olympische Dorf bereits konkrete Planungen. Die Unterkünfte für Athleten und Offizielle sollen zu 2.300 Sozialwohnungen umgebaut und unter Bedürftigen verlost werden. 17.000 Athener bewarben sich bereits um eine Teilnahme an der Ziehung der „Glückslose“. Interessenten gibt es auch für das Hauptpressezentrum. Dort will nach Olympia das Wirtschafts- und Finanzministerium Einzug halten. Der staatliche TV-Sender ERT und der private ANT1 streiten sich um das Gebäude, in dem sich das olympische Rundfunk- und Fernsehzentrum befindet.

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