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Wir glauben an unsere Chance

Dagur Sigurdsson will Österreich bei Heim-Europameisterschaft vom Außenseiter zum Überraschungsteam machen.

Sie hätten 2008 auch Teamchef ihrer Heimat Island werden können, warum haben Sie sich damals für Österreich entschieden?
Sigurdsson:
Es war eine Bauchentscheidung. Ich möchte eines Tages isländischer Teamchef werden, aber ich habe gefühlt, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für mich gewesen wäre. Außerdem hat man in Island 300.000 Kotrainer (Island hat knapp 320.000 Einwohner, Anm.), dort glaubt jeder zu wissen, wie man Handball spielen sollte. Wenn ich 50 oder 55 Jahre alt wäre, hätte ich das Angebot aber sicher angenommen. Ich hoffe, dass ich irgendwann noch einmal die Chance bekomme.

Sie arbeiten mit der österreichischen Nationalmannschaft seit März 2008 auf die Heim-EM hin. Ist in diesen knapp zwei Jahren alles mehr oder weniger so verlaufen, wie Sie sich das vorgestellt hatten?
Sigurdsson:
Ich bin mit dem Ablauf absolut zufrieden. Wir hatten zumindest gleich viel oder sogar mehr Vorbereitungszeit als unsere Gegner. Wir haben in den Testspielen auch Wert auf Ergebnisse gelegt, dadurch hatte das Team auch Druck. Das einzige das uns gefehlt hat, ist die Teilnahme an einem Großereignis, aber das kann man sich eben leider nicht kaufen. Umso spannender ist es zu sehen, was bei der EM rauskommt.

Im Vergleich mit Europameister Dänemark oder dem Olympia-Zweiten Island spricht auf dem Papier nicht sehr viel für Österreich, was können Sie dem entgegenhalten?
Sigurdsson:
Wir haben eine Mannschaft, die bereit ist. Die Spieler glauben dran, und ich glaube auch fest dran. Wir haben ein eigenes handballerisches Konzept, das keine Kopie einer anderen Mannschaft ist, sondern auf die vorhandenen Spieler zugeschnitten ist.

Haben Sie es Ihrer Meinung nach geschafft, ihren Spielern die Angst vor den großen Namen des Handballs zu nehmen?
Sigurdsson:
Wir dürfen keine Angst zeigen, auf dem Spielfeld kannst du dich nicht verstecken. Im Test gegen Dänemark habe ich es das einzige Mal mit einer dramatischen Rede vor dem Spiel versucht, danach haben wir mit 22:39 die höchste Niederlage kassiert. Es ist sicher nicht an der Rede gelegen, aber danach sind wir “back to the basics” gegangen. Wir müssen nicht tausendmal herumschreien, dass wir auch gegen solche Gegner eine Chance haben. Dieses Wissen, Gespür und Selbstvertrauen hat die Mannschaft nämlich mittlerweile verinnerlicht, davon bin ich absolut überzeugt.

Gleich im ersten EM-Match wartet am Dienstag genau jene dänische Mannschaft. Was darf man sich erwarten?
Sigurdsson:
Wir können immer noch gegen Dänemark mit 20 Toren verlieren, daran hat sich nichts geändert. Wenn alles zusammenbricht und der Gegner einen Lauf von zehn Toren hat, dann kann das passieren. Vor allem, wenn man so wie wir wenig Routine hat. Gegen solche Großen können wir ordentlich auf die Fresse kriegen. Aber dann muss man am nächsten Tag aufstehen und weiter- kämpfen. Auf der anderen Seite bin ich mir sicher, dass wir alle drei Gruppengegner schlagen können. Wir werden in jedes Spiel reingehen, als wäre es das letzte. Gleichzeitig soll die Mannschaft das Turnier genießen.

Wer wird Ihrer Meinung nach Europameister?
Sigurdsson:
Sechs bis acht Mannschaften sind auf einer Augenhöhe. Da geht es so knapp zu, dass ein Tor entscheiden kann. Mich würde es aber nicht wundern, wenn es eine Wiederholung des Olympia-Finales Frankreich gegen Island (28:23, Anm.) gibt.

Im Handball findet jedes Jahr ein Großereignis statt, jedes vierte Jahr aufgrund von Olympia sogar zwei. Ist das zu viel?
Sigurdsson:
Das ist eine Katastrophe, das ist unmenschlich. Vor allem für die vielen Topspieler, die bis zum Saisonende auch noch in der Champions League mit dabei sind. Es wäre sicher effektiver, wenn EM und WM wie im Fußball im Vierjahres­rhythmus ausgetragen wurden.

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