Die 17-jährige Ree (Jennifer Lawrence) durchlebt keine normale Jugend. Die Schule musste sie früh verlassen, um ihre jüngeren Geschwister, Sonny (Isaiah Stone) und Ashlee (Ashlee Thompson) aufzuziehen. Die Mutter ist psychisch krank, der Vater Jessup handelt – so wie viele seinesgleichen in den trostlosen Ozark Mountains im südlichen Missouri – mit Crystal Meth. War er zuvor ob seiner Drogensucht und darauffolgender Gefängnisaufenthalte bereits keine Hilfe, ist er seit einigen Wochen gänzlich verschwunden.
Genau deshalb scheint plötzlich der einzig verbliebene Halt der Familie wegzubrechen: das Haus samt angrenzendem Waldgrundstück. Das hat Jessup als Sicherheit für seine Kaution eingesetzt. Nun droht die Verpfändung des Besitzes, sollte er nicht innerhalb von einer Woche auftauchen. Rees einzige Möglichkeit: “Ich werde ihn finden.” Doch als sie die Menschen aus dem Ort, zumeist entfernte Verwandte, nach dem Verbleib Jessups fragt, stößt sie auf Ablehnung und wird als Unruhestifterin verjagt. Sogar ihr Onkel Teardrop (John Hawkes) weist sie ab; der mysteriöse Thump Milton, Drahtzieher diverser illegaler Geschäfte, lässt sie verprügeln. Bald wird Ree klar, dass sie nicht nach ihrem flüchtenden Vater, sondern nach dessen Leiche suchen muss, um ihr Haus zu retten.
Für ihr Spielfilmdebüt “Down to the Bone” erhielt Debra Granik bei der Viennale 2004 den FIPRESCI-Preis der internationalen Filmkritiker-Vereinigung. In ihrem zweiten Langfilm mischt sie gekonnt Genres, lässt ein ernüchterndes Sozialdrama in einen packenden Thriller münden, vereint Charakter- und Milieustudie, ohne abzuwerten oder zu urteilen. Nach einem Roman von Daniel Woodrell filmt sie in genau jener Region, die ihn inspirierte; suchte eine Familie, die jener der Geschichte nahekommt, und studierte sie, drehte in ihrem Haus. Mit einem Auge für Details und der bei Independent-Produktionen zunehmend beliebten “Red One”-Digitalkamera schuf sie erstaunliche Bilder zu einer langsamen, beklemmenden Story, die fast ausschließlich auf frustrierenden Konfrontationen beruht.
“Durch unsere Körper fließt zumindest teilweise dasselbe Blut, bedeutet das denn gar nichts”, wird zu Rees verzweifeltem Manifest, das sich durch den Film zieht. Die erst 20-jährige Jennifer Lawrence brilliert mit einer vielschichtigen Leistung als moderne Heldin, die auf eine große Karriere hoffen lässt und ihr zurecht eine Oscar-Nominierung einbrachte. Ebenfalls nominiert wurde John Hawkes (“Ich, du und alle die wir kennen”), der als verbitterter, von Drogen zerstörter Mann überzeugt, der erst spät erkennt, dass seine Nichte ebenjenen Weg vermeidet, den er gegangen ist – und ihr bei der Suche hilft.
Viele der Nebenrollen sind mit Einheimischen besetzt, der örtliche Dialekt trägt ebenso zur Authentizität des Streifens bei wie das Porträt einer verlassenen Familie und einer ebenso verlassenen Gegend, in der Menschen in Drogen flüchten. “Winter’s Bone” ist zu keinem Moment pathetisch oder melodramatisch, zeigt gekonnt und glaubwürdig das Wanken der Hauptfigur zwischen dem kämpferischen Willen, sich selbst durchzuschlagen, und dem sehnlichen Wunsch, Unterstützung zu erhalten. Ein Indie-Rohdiamant, der zu großem Kino aufschwingt und trotz Elend Hoffnung in sich trägt. (Angelika Prawda-APA / VOL Redaktion)
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