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Wilhelm Molterer - Sein größter Tag

Wilhelm Molterer (V) ist am Montag endgültig aus dem Schatten seines Vorgängers Wolfgang Schüssel getreten. Mit grimmigem Blick verkündete der Vizekanzler das Ende der rot-schwarzen Koalition und in weiterer Folge, dass er die Volkspartei als Kanzlerkandidat in vorgezogene Neuwahlen führen wird.

So wird sich im September zeigen, ob Molterers Image als tüchtiger Sacharbeiter reicht, um ihm die Wählerherzen zufliegen zu lassen. Es ist das erste Mal, dass der Oberösterreicher an der Spitze einer großen Wahlkampagne steht.

Erst seit gut einem Jahr ist der 53-jährige Bauernbündler im Amt als ÖVP-Chef, ein wenig länger war seine Tätigkeit als Vize der Regierung und Finanzminister. Während Molterer seine Regierungsmannschaft ganz gut zusammenhielt und selbst mehr mit dem Budget, weniger mit dem Finanzausgleich punktete, ist er als Obmann der Volkspartei nicht wirklich unumstritten. Erst jüngst warf ihm Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (V) fehlenden Mut und Weitblick vor, allerdings erst, nachdem er dessen Personalwünsche nicht gehört hatte.

So logisch seine Kür zum Spitzenmann nach dem Abdanken seines langjährigen Chefs und Vertrauten Wolfgang Schüssel war, so skeptisch waren manche in der Partei von Anfang an, ob man mit dem oft predigerhaft wirkenden Bartträger auch die Wählerschaft gewinnen kann. Molterer eilt freilich auch der Ruf voran, ein Alleskönner zu sein. Der Allrounder war Minister, Generalsekretär und Klubobmann, ehe er im Jahr 2007 zunächst Vizekanzler und Parteiobmann wurde. In der ÖVP war er da schon ewig Kronprinz, mehr noch der Strippenzieher und “Personalchef”. Und er war immer treu an der Partei dran, was diese “Pater Willi” mit einem 97-Prozent-Votum bei seiner Wahl zum Chef der Volkspartei dankte.

Geholfen hat dem Vizekanzler seine eiserne Disziplin und sein Fleiß. Molterer kennt sich aus, bei fast allem. Als er sein erstes Budget zu erstellen hatte, staunten auch rote Regierungsmitglieder nicht schlecht, wo der neue Finanzminister nicht überall bis ins letzte Detail Bescheid wusste. Molterer gilt als einer, der die Akten noch mit ins Bett nimmt.

Seinen Ruf als “Personalchef” erarbeitete sich Molterer vor allem im ORF, in dem er als langjähriger Mediensprecher seinen Einfluss zu nutzen wusste, auch inhaltlich. Fast schon legendär wurde das von Kabarettist Alfred Dorfer erfundene “Moltofon”. Freilich hat Molterer auch in der Privat- und in der staatsnahen Wirtschaft ein enges Netz an Vertrauten, ehemaligen Mitarbeitern und Freunden aufgebaut.

Wiewohl Molterer zum Hausmusik-Trio um Wolfgang Schüssel und Elisabeth Gehrer gehörte, ist es schwierig, den VP-Chef ins allzu konservative Eck zu stecken. Der Vizekanzler startete via Josef Pröll einen sanften Modernisierungsprozess der Partei – Stichwort Homo-Ehe -, mit dem er allerdings in den letzten Monaten ein wenig stecken blieb. In seiner Jugend galt Molterer gar als revolutionär, als er in der katholischen Studentenunion als Linksabweichler auffiel. In den 70ern forderte er die Abschaffung des Bundesheeres und die Verstaatlichung des Gesundheitswesens. Ein kurzfristiger Ausschluss aus der ÖSU war die Folge.

Das Politische liegt Molterer schon im Blut, und das nicht nur, weil er mit seiner Geburt in Steyr am 14. Mai 1955 fast ein Staatsvertragsbaby war. Sein Onkel, bei dem er in Sierning aufwuchs und der ihn später (für Bauernfamilien nicht unüblich) adoptierte, saß für die Volkspartei im Nationalrat. Die politische Karriere des jungen Molterer begann bei der Hochschülerschaft. Nach dem Studium der Sozialwissenschaften in Linz arbeitete der ehemalige Landesmeister im Leistungspflügen im Büro von Landesrat Leopold Hofinger. 1987 übersiedelte er nach Wien und wurde Sekretär von Landwirtschaftsminister Josef Riegler. Dessen Nachfolger Franz Fischler machte Molterer zum Büroleiter. 1990 kam er in den Nationalrat, wurde Generalsekretär und 1994 Landwirtschaftsminister. Im Februar 2003 mutierte der verheiratete Vater von zwei Kindern zum Klubobmann, im Jänner 2007 zum Finanzminister und Vizekanzler, wenig später zum ÖVP-Obmann.

Dass es Molterer eigentlich gar nicht so sehr ins Scheinwerferlicht drängte, ist dadurch belegt, dass er sich Anfang 2007 zum Wohl der Partei zugunsten des Nicht-Parteimitglieds Karl-Heinz Grasser auf Vizekanzleramt und Finanzministerium verzichtet und sich mit dem Innenressort beschieden hätte. Sein Privatleben hält er von der Öffentlichkeit zurück, Luxusurlaube sind von ihm ebenso wenig überliefert wie exotische Hobbys.

Mittlerweile hat er aber offenbar Geschmack zumindest am politischen Platz an der Sonne gefunden und das Heft in die Hand genommen. Mit der vorgezogenen Neuwahl erstickte Molterer auch die sanft brodelnde Obmann-Debatte in der Volkspartei. Für seinen Kronprinzen Josef Pröll (V) heißt es einmal mehr warten, und das wohl für ewig, sollte die Mission Kanzleramt für Molterer gelingen. Unterschätzen sollte man dessen Chance nicht, denn auch Wolfgang Schüssel oder Alfred Gusenbauer hatte kaum jemand zugetraut, einmal an die Spitze der Wählergunst zu wandeln – und immerhin bringt Molterer einige Prozentpunkte an Vorsprung für die nächsten zwei Monate mit.

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