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WIIW: Europa droht wirtschaftlich ein "verlorenes Jahrzehnt"

Aufschwung ab 2014 fraglich, Wachstumsimpulse aus Euroraum erhofft.
Aufschwung ab 2014 fraglich, Wachstumsimpulse aus Euroraum erhofft. ©APA
Europa droht bei der wirtschaftlichen Entwicklung ein Jahrzehnt zu verlieren, erklärte WIIW-Direktor Michael Landesmann heute, Donnerstag, bei einer Pressekonferenz zur neuen Prognose seines Instituts für Mittel- und Osteuropa (CEE).

Diese negative Entwicklung habe 2008 begonnen und spalte sich mittlerweile von anderen entwickelten Regionen wie den USA ab. Der CEE-Raum hänge sehr stark von der Eurozone ab, wo es fast einheitliche Prognosen etwa der EU-Kommission gebe, dass es mittelfristig wieder zu einem Aufschwung kommen soll. Das sehen die WIIW-Experten skeptischer: “Es gibt wenig wirklich explizite Analyse, warum automatisch dann diese Aufwärtsbewegung 2014/15 folgen soll”, formulierte Landesmann diplomatisch.

“Nichts Positives zu melden”

Dass die Aussichten in Osteuropa alles andere als rosig sind, brachte WIIW-Experte Vasily Astrov mehrmals bei der Vorstellung der dreijährigen WIIW-Prognose zum Ausdruck: “Es gibt nichts Positives zu melden.” Die Exporte schwächeln, der Arbeitsmarkt ist angespannt, die Inlandsnachfrage stagniere bzw. gehe zurück, die Banken vergeben weniger Kredite, die Unternehmen investieren nur zögerlich, so die Aussagen des WIIW-Experten.

Wachstum ab 2014

Dennoch soll die Region ab 2014 wieder etwas stärker wachsen: So soll die Wirtschaftsleistung der zehn neuen Mitgliedstaaten laut WIIW 2014 um durchschnittlich 2,3 Prozent zulegen, ein Jahr später um 3 Prozent – wobei die Hoffnungen auf Wachstumsimpulse aus der Eurozone ruhen. Heuer soll es in der gesamten Region zu einer mäßigen Erholung kommen.

Emerging Markets in Asien und Lateinamerika

Bereits 2012 litt die Region von den Befürchtungen eines neuerlichen stärkeren Wirtschaftseinbruchs in der Eurozone (“Double Dip”) gekennzeichnet. Die Entwicklung der CEE-Region stehe “in scharfem Kontrast zu jener in anderen Emerging Markets in Asien und Lateinamerika”, was die Abhängigkeit vom krisengeschüttelten Euroraum unterstreiche, so die WIIW-Experten.

Polen, Tschechien und Ungarn erfolgreich

Als die erfolgreichsten Exporteure der Region gelten Polen, Tschechien und Ungarn, die sehr stark auf die Eurozone und vor allem auf Deutschland fokussieren, wo das Wachstum noch relativ robust war, berichtete Astrov. In diesen Staaten legten die Exporte stärker zu als etwa jene von der Balkanländer, die sich eher nach Südeuropa wie Italien orientierten, das sich in einer Rezession befindet.

Angespannte Arbeitsmärkte

An den angespannten Arbeitsmärkten der CEE-Staaten zeichnet sich weiterhin keine Entspannung ab – dazu wären mehrjährige Wachstumsraten von zumindest 3 Prozent notwendig, so Astrov. “Davon sind die meisten Länder weit entfernt.” In einzelnen Staaten wie Kroatien habe sich der Druck aufgrund von Kündigungswellen vor allem im öffentlichen Dienst weiter verschärft. “Serbien hat in den letzten vier bis fünf Jahren über 20 Prozent der Beschäftigten verloren”, so Astrov. Das habe natürlich auch zur Stagnation bzw. zum Rückgang der Inlandsnachfrage in den CEE-Ländern beigetragen. Von dieser Entwicklung hätten sich insbesondere die GUS-Länder abgekoppelt, in Russland und Kasachstan würden die Konsumkredite steigen, betonte Astrov.

Lage der europäischen Banken

Dagegen würden die europäischen Banken, die den CEE-Bankensektor dominieren, im Großen und Ganzen ihre Bilanzen kürzen. Davon seien insbesondere Rumänien, Slowenien und Ungarn betroffen, während die Kreditvergabe in den als weniger risikoreich geltenden Länder Polen, Tschechien und Slowakei stabil blieben, berichete Astrov.

Unternehmen investieren weniger

Zu dieser negativen Entwicklung komme auch, dass die Unternehmen weniger investieren und auf dem Geld sitzen würden, berichtete der WIIW-Ökonom. Der Zugang zu Krediten spiele bei den Investitionen nur eine geringere Rolle, während Überkapazitäten und Unsicherheiten für die zögerliche Investitionen verantwortlich seien, ergab eine WIIW-Untersuchung. Die Investitionsdynamik werde vor allem durch öffentliche Investitionen bestimmt – wie etwa in Rumänien, das im Vorjahr in den Straßenbau investierte. Die Bauaktivität gehe aber in der gesamten Region schon seit Jahren zurück, in Slowenien und Bulgarien um rund 15 Prozent jährlich. (APA)

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