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Wifo-Chef: "Konjunktur-Barometernadel zittert kräftig"

Österreichs Wirtschaft erholt sich nur zögerlich von der massiven Wirtschaftskrise. "Das Konjunkturbarometer zeigt: Der Luftdruck steigt - aber die Barometernadel zittert kräftig", beschrieb Wifo-Chef Karl Aiginger am Freitag bei der Vorlage der jüngsten BIP-Prognose den verhaltenen Aufschwung.
Wifo/IHS für 2011 optimistischer als für 2010

Die Weltwirtschaft wachse zwar wieder fast so stark wie vor der Krise, auf Europa habe das aber noch nicht richtig übergegriffen. Trotz 1,2 Prozent Wachstum heuer und 1,6 Prozent nächstes Jahr, wie vom Wifo für Österreich erwartet. handle es sich noch nicht um eine selbsttragende breite Erholung, sondern nur um den “Beginn einer Verbesserung”.

Insbesondere vom Finanzsystem kämen hohe Risken für die Konjunktur, sagt wie Aiginger auch IHS-Leiter Bernhard Felderer. Der Finanzsektor mit den Staatshaushalten stelle das “Hauptrisiko” dar, so Felderer: “Wir sind am Rande der Nichtzahlungsfähigkeit mehrerer Länder in Europa.” 2011 werde “ein Sanierungsjahr” werden. Wichtig sei, dass etwa Griechenland sein ambitioniertes Sparprogramm durchziehe – Aiginger hält auch eine Teilentschuldung für eine Möglichkeit. In Spanien und Portugal werde es ebenfalls Sparkurse geben, so Felderer. Und “natürlich” würden die europaweiten Budgetsanierungen “isoliert betrachtet” Wachstum kosten. Teils kompensiert werden könnte das aber durch sinkende Sparquoten oder anspringende Investitionen, meint der IHS-Chef. Auch der heuer um rund 10 Prozent schwächere Euro bringt einen Wachstumsbeitrag und zwar von etwa 0,2 bzw. 0,3 Prozent, so Aiginger.

Realwirtschaftlich könne man dagegen relativ optimistisch sein, und auch die Frühindikatoren seien positiv, betonte der IHS-Chef. Dies sieht auch Aiginger so, der das “Bild einer zögerlichen Erholung mit Schwankungen von Quartal zu Quartal” malt. Österreich wachse heuer und nächstes Jahr bereits zum 7. und 8. Mal in Folge stärker als die Eurozone, sagt der Wifo-Chef. Doch habe Europa offenbar “strukturelle Probleme”, denn die Weltwirtschaft könne 3 1/2 bis 4 Prozent wachsen, fast so stark wie vor der Krise. Die “harten Zahlen” seien “besser als zuletzt”, doch seien mittelfristig die Fragezeichen größer geworden. Vor allem durch die Nervosität der Finanzmärkte gebe es Unsicherheit. Felderer verweist dazu auch auf den mit Basel III verbundenen zusätzlichen Eigenkapitalbedarf der Banken, wodurch Kreditvergabeprobleme bestehen bleiben könnten. Zudem wisse man nicht, wie viele faule Assets noch in den Banken versteckt seien, ergänzt Aiginger.

Überraschend für die Wirtschaftsforscher kommt die leichte Erholung am heimischen Arbeitsmarkt – schon heuer dürfte der Zenit bei den Arbeitslosenzahlen überschritten sein. Denn an sich springt die Beschäftigung erst bei einem Wirtschaftswachstum von mehr als 2 Prozent an, erinnert der Wifo-Chef. Doch selbst nach der IHS-Prognose – heuer +1,5 Prozent und 2011 dann +1,9 Prozent – wird das noch nicht erreicht. Dennoch dürfte die Arbeitslosenzahl heuer nur noch um rund 3.000 ansteigen, nehmen beide Institute an, und 2011 um einige Tausend sinken. Dies wird die Arbeitslosenrate in diesen beiden Jahren bei etwa 7,2 Prozent nach nationaler Definition stabil halten, nach EU-Kriterien bei 5,0 Prozent.

Dass die Beschäftigung in Österreich 2010 und 2011 um jeweils 0,5 Prozent steigen dürfte, ist laut Aiginger sektoral vor allem den öffentlichen Dienstleistungen zu verdanken. Im Bereich Erziehung, Unterricht, Sozialwesen werde die Beschäftigtenzahl heuer um 23.000 steigen, auch in Beherbergung/Gastronomie gebe es Zuwächse. Für eine Entwarnung am Arbeitsmarkt sei es aber bei mehr als 7 Prozent Jobless-Rate noch zu früh, so der Wifo-Chef. Die Arbeitslosigkeit werde nur sehr langsam zurückgehen, “also nicht in den nächsten zwei Jahren”, sagt Felderer.

Für den Herbst erwartet Aiginger “eine komplizierte Gehaltsrunde”: Die Wirtschaft sei noch nicht erholt, und die Arbeitnehmervertreter könnten darauf pochen, dass der Privatkonsum für die Wirtschaft eine stabilisierende Funktion habe. Die Frage sei, wie man mehr Flexibilität für die Unternehmer bekomme, ohne dass die Arbeitnehmer glauben, dass es sich um eine Gehaltskürzung handle. In den nächsten vier, fünf Jahren werde es in den KV-Runden “stark um Flexibilitätsregelungen” gehen und “nicht nur um Löhne”. Das IHS geht laut Felderer von 2 Prozent nominellem Lohnanstieg durch die Herbstlohnrunde aus, “es wird nicht viel drunter liegen”.

Die Mindestsicherung in Österreich ist nach Meinung des Wifo-Chefs “sehr sensibel durchgeführt” worden. Sie sei einerseits nicht sehr hoch und außerdem an Bedingungen geknüpft. Deshalb sei dadurch für den Arbeitsmarkt eher mit einer Verbesserung zu rechnen. Auch das IHS spricht von einem “ausgewogenen Mix” zwischen Sozialhilfe und Job-Anreizen.

Laut Wifo-Annahme wird die geplante Budgetsanierung in Österreich die Inflationsrate 2011 um 0,4 Prozentpunkte anheizen – aufgrund der zu erwartenden Anhebung von Abgaben und indirekten Steuern. Das könnte etwa die Mineralölsteuer (MöSt) oder die Tabaksteuer sein, sagt Aiginger, doch habe das das Wifo in seiner Rechnung nicht näher spezifiziert. Eine MöSt-Erhöhung um 10 Cent pro Liter würde jedoch den Spritpreis um knapp 10 Prozent verteuern, samt Mehrwertsteuer, die erst nach der MöSt greift, sogar um 12 Prozent, hieß es heute. Da Sprit mit knapp 4 Prozent im VPI gewichtet sei, könnte der Verbraucherpreisindex dadurch um 0,4 bis 0,5 Prozent angekurbelt werden.

Wie berichtet will die Regierung nach früheren Ankündigungen das Budget zu 40 Prozent über Abgaben sanieren, davon je zur Hälfte durch direkte und indirekte Abgaben bzw. Steuern – darauf verweist auch Aiginger. Bei der Budgetsanierung gehe es um eine “soziale Balance” und darum, Negativeffekte auf den Arbeitsmarkt niedrig zu halten, wünscht er sich. Das Wifo erwartet für 2011 einen Rückgang des Maastricht-Budgetdefizits des Gesamtstaates von 4,6 auf 3,8 Prozent des BIP, das IHS sieht eine Verringerung des Abgangs von 4,5 auf 4,0 Prozent.

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