Wiener Migrationskonferenz von Protesten überschattet

Die Proteste richteten sich gegen den Veranstalter, die Wiener Migrationsorganisation ICMPD. Auf Transparenten wurde die von 21 Staaten getragene Organisation zynisch als "verlässlicher Partner im tödlichen Migrationsmanagement" kritisiert. "Wir setzen uns gegen Abschiebungen, Push-Backs aufs Meer und in die Wüste, das Aussetzen des Familiennachzugs und Instrumente wie die Bezahlkarte ein. Diese werden allesamt vom ICMPD mitgestaltet oder mitgetragen", betonte Julia Fuchs vom No Border Summit in einer Aussendung.
Spindelegger: Bei Migration sollen Menschen im Mittelpunkt stehen
ICMPD ist eine Denkfabrik, die mit ihrer Expertise zu besseren Lösungen in der Regelung von Migration beitragen möchte. Die Mitte der 1990er Jahre von Österreich und der Schweiz vor dem Hintergrund der Balkankriege ins Leben gerufene Organisation ist in Fachkreisen äußerst angesehen. Negativschlagzeilen machte sie, als sie im Auftrag der EU-Kommission eine Containeranlage zur Internierung von Migranten im nordbosnischen Flüchtlingslager Lipa baute, das nach Protesten nie in Betrieb ging.
"Herausforderungen, die man nicht löst, kommen oft zurück, manchmal sogar stärker als zuvor", betonte ICMPD-Generaldirektor Michael Spindelegger in seiner Eröffnungsansprache die Notwendigkeit, Migrationsprobleme zu lösen. "Wir sollen aber niemals die Menschen aus dem Blick verlieren, die immer im Zentrum unserer Aufmerksamkeit sein sollten - die Migranten, aber auch unsere Völker, die erwarten, dass wir bessere Lösungen finden als zuvor", sagte der Ex-Vizekanzler zum Auftakt der zweitägigen Konferenz.
Karner bekräftigt Forderung nach Änderungen bei EMRK
Spindelegger begrüßte die Innenminister Österreichs, Jordaniens und Schwedens als Redner, während sich Migrationskommissar Magnus Brunner (ÖVP) und seine für den Mittelmeerraum zuständige Kollegin Dubravka Šuica mit Videobotschaften meldeten. Brunner berichtete von einem deutlichen Rückgang bei Aufgriffen und Asylzahlen, was "nicht einfach nur ein Ausschlag in den Zahlen" sei, sondern Ergebnis der guten Kooperation der EU-Staaten und ihrer Partnerländer.
Ähnlich äußerte sich auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der auf den besseren Schutz der Außengrenzen und den Stopp des Familiennachzugs verwies. Karner bekräftigte die Absicht, die illegale Migration "auf Null" zu bringen. Dafür sollen Rückführungen verstärkt werden, insbesondere nach Syrien und Afghanistan. Dies habe "oberste Priorität", berichtete Karner von der am Dienstag verkündeten ersten Rückführung eines Afghanen in sein Heimatland seit der neuerlichen Machtübernahme der Taliban. Der ÖVP-Politiker bekräftigte auch den Wunsch nach Änderungen in der Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). "Manchmal scheint es, als würde die Konvention kriminelle Migranten mehr schützen als die Bürger ihrer Gaststaaten. Das ist nicht gut für das Funktionieren des Systems", sagte Karner.
Schweden fordert EU-Plan für Rückführungen
Karners schwedischer Kollege Johan Forssell berichtete, dass die Mitte-Rechts-Regierung in Stockholm den mit Asyl verbundenen Zuzug im Vorjahr auf den niedrigsten Stand seit 1985 gebracht hat. "Sie werden sich fragen, warum 1985. Wir haben keine Zahlen, die weiter zurückreichen", sagte Forssell. Er sprach von einem "Paradigmenwechsel" in der Migrationspolitik und betonte wie Karner die Notwendigkeit von Rückführungen. Diesbezüglich wünsche er sich aber gemeinsame europäische Lösungen. Er begrüße zwar, dass Österreich bei Abschiebungen nach Afghanistan ein Vorreiter sei, "aber ich kann mir schwer vorstellen, dass 27 Staaten verschiedene Pläne für erzwungene Rückführungen nach Afghanistan haben. Ich möchte, dass die Kommission einen Plan dafür vorlegt".
Der jordanische Innenminister Mazin Abdellah Hilal Al Farrayeh hatte ebenfalls gute Nachrichten für die Teilnehmer der Konferenz. Die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimatländer sei "sehr stark". 166.000 Syrer seien aus Jordanien in ihre Heimat zurückgekehrt, sagte er. Zugleich kritisierte er die ausbleibende internationale Hilfe für die Flüchtlinge, die Jordanien aufgenommen hat.
Spindelegger übergibt nach zehn Jahren an Ex-Ministerin Raab
Karner, Brunner und weitere Redner nutzten ihre Wortmeldungen, um ICMPD-Generaldirektor Spindelegger für seine zehnjährige Amtszeit zu danken, die mit Jahresende ausläuft. Unter der Ägide des früheren ÖVP-Vizekanzlers hat die Migrationsorganisation international deutlich an Statur gewonnen, die Zahl der Mitgliedsstaaten erhöhte sich von 15 auf 21. ICMPD betreibt Projekte in mehr als 90 Ländern und beschäftigt 540 Mitarbeiter in 31 regionalen Büros. Dabei geht es etwa um Grenzmanagement, aber auch um Aufklärung zu Gefahren illegaler Migration.
Zum Abschluss der Konferenz am Mittwochnachmittag wollte sich die künftige ICMPD-Generaldirektorin Susanne Raab erstmals öffentlich äußern. Die Ex-Integrationsministerin übernimmt mit Jahresbeginn das Amt Spindeleggers. Sie war von den Mitgliedsstaaten der Organisation im Juni mit 13 zu 8 Stimmen in ihr Amt gewählt worden. Raab setzte sich in einem monatelangen Auswahlverfahren gegen Dutzende Bewerber durch, das zunächst von einem internationalen Headhunter und später vom aktuellen ICMPD-Vorsitzland Schweden geleitet wurde.
Kritik an der zweitägigen Konferenz und der Organisation wurde nicht nur von Migrationsaktivisten geäußert, sondern auch von der FPÖ. "Hier sehen wir die 'Asylindustrie' in Reinkultur. Ein ÖVP-Parteigünstling übergibt den hoch dotierten Chefposten an die nächste gescheiterte ÖVP-Ministerin. Es geht nicht darum, das Problem für Österreich zu lösen, sondern darum, die eigenen Leute auf Kosten der Steuerzahler im Migrationszirkus zu versorgen", erklärte der freiheitliche Sicherheitssprecher Gernot Darmann in einer Aussendung.
(APA)
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