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Wie fährt man im Paradies?

Ein Praxistest im kanadischen British Columbia für den automobilen Ideal-Urlaub.

Bequem ans andere Ende der Welt fliegen – aber dann: normales, kompaktes Leihauto oder ein für den normalen Fahrer außergewöhnliches, riesiges Wohnmobil? Wir sagen Ihnen, welche Urlaubsform für welche Urlaubstypen maßgeschneidert ist.

Vier Räder, um in der schönsten Zeit des Jahres in einem der schönsten Winkel unseres Planeten auch wirklich alles erleben zu können. Der Winkel heißt British Columbia, liegt im äußersten Westen Kanadas und bietet so ziemlich alles, was man sich als Normal-Tourist von einem Urlaub wünschen kann.

Für jeden etwas zu finden

Mit Vancouver eine Metropole zwischen olympischen Winterbergen (2010 finden hier die diesbezüglichen Spiele statt) und fast grenzenlosen Badestränden. Mit Victoria eine kleinstädtisch anmutende Hauptstadt – wer sich hier nicht dem traditionell-britischen Five o’clock-Tea widmen will, fährt mit dem Powerboot auf Killerwal-Sightseeing. Als Garnierung zu diesen beiden Städten gibt’s Vancouver Island – so groß wie halb Österreich, aber mit Urwäldern und pazifischen Wellenbrechern. Oder man bricht in die Coast Mountains auf.

Dort gibt’s – von Whistler als Sommer- und Winter-Tourismusmekka bis zu Schwarzbären- oder Berglöwen-Einsamkeiten – für jeden etwas zu finden. Ein bisserl weiter entfernt das Okanagan-Valley mit Weinreben in Wüstenlandschaft. Oder wenn man sich ganz weit in den Norden oder Nordwesten wagt, findet man riesige menschenleere Landstriche. Wer will, kann hier also alles bekommen, was das Paradies bieten kann.

Unabhängigkeit ist teuer

Nur – wie bewegt man sich am besten in solch einem Paradies? Ist der Komfort eines relativ kompakten Leihwagens der riesenhaften Bequemlichkeit eines Wohnmobils überlegen? Oder schlägt solch ein Motorhome in punkto Unabhängigkeit jede kleiner Alternative um Längen? Zuerst zur Preisfrage, die sich kaum absolut beantworten lässt: Wer von Europa aus bucht, fährt in jedem Fall günstiger. Wir fuhren einen nostalgischen Chrysler PT Cruiser in der Kompakt-Pkw-Kategorie, zahlten dafür pro Woche rund 500 kanadische Dollar Miete plus 250 Dollar an Treibstoffkosten. (Werte für etwa 1000 Kilometer Fahrstrecke – Umrechnungskurs kanadischer Dollar zu Euro 0,62:1).

Rechnet man nicht weiter, hat das Wohnmobil keine Chance. Für sieben Meter Länge (vier Betten inklusive Küche, WC/Dusche) verrechnete der kanadische Anbieter Fraserway knappe 900 Dollar.

Dazu kam ein Durst des 3,5- Liter-Ford-Motors, der einige Male sogar das tägliche Limit der Kreditkarte an der Zapfsäule überschritt. In Zahlen: nochmals fast 600 Dollar für die vergleichbare Strecke – macht zusammen 1500 Dollar, praktisch das Doppelte.

Keine einfache Rechnung

Aber im PT Cruiser kann man nun einmal nicht wirklich schlafen. Der Kompromiss zwischen internationalem Hotel- Luxus und spartanischer Motel-Absteige heißt auch in British Columbia Bed and Breakfast. Für zwei Personen kostet es durchschnittlich 250 Dollar pro Nacht, was sich für Pkw-Reisende in einer Woche doch auf zusätzliche 1500 Dollar summiert. Wohnmobil- Reisende zahlen pro Nacht auf dem Campground nur zwischen 20 und 50 Dollar.

Dem engen Kontakt mit der Wildnis und dem günstigen Preis steht entgegen, dass man nur bei den Bed-and- Breakfast-Gastgebern echten Kontakt zu Einheimischen bekommt. Und beim Abstellen des Motorhomes auf dem Campingplatzes gilt es, jeweils ein paar Minuten in das fachgerechte Anschließen an Strom und Wasser zu investieren; ebenso beim Wegfahren, wo vielleicht noch Abwässer entleert werden müssen.

Selbstverständlich kann man auf den Campgrounds hervorragend grillen und Abenteuer pur erleben. Aber wer doch einmal in die ein paar Kilometer entfernte Stadt will, muss alle Anschlüsse kappen, und mit dem mobilen Schneckenhaus auf Parkplatzsuche gehen. Die Alternative: man mietet beim Wohnmobil Fahrräder mit (200 Dollar/Woche).

Zwischenstand der Kostenrechnung: beim Pkw addieren sich Miete, Treibstoff und Unterkunft auf rund 2500 Dollar, beim Wohnmobil auf rund 1900 Dollar (inklusive Räder). Sparmeister sollten also das Erlebnis einer Wohnmobil- Reise in Erwägung ziehen. Aber auch, wer Fahrverhalten und Temperament eines durchschnittlichen Pkw gewohnt ist, wird auf den ersten Kilometern von der Federung des Wohnmobils ebenso entsetzt sein wie von den Dimensionen.

Rasen ist kein Thema

Egal, welche Mobilität man bevorzugt, einer anderen kanadischen Wesensart wird man nie davon fahren können. Gegen das Temperament eines Lenkraddrehers aus British Columbia ist ein Niederländer ein wildgewordener Straßenrowdie, gegen das Einhalten von (extrem niedrigen Tempolimits) sind Schweizer Autofahrer gesetzeslose Raser. Eigenschaften, die durchaus positive Auswirkungen haben: Spätestens nach drei Tagen auf kanadischen Straßen wird man unwillkürlich zum Verkehrs- Kavalier. „Das war jetzt wirklich nicht bc-like“, stellte Mike (unser lokaler Guide) beispielsweise in Vancouver fest, als sich vor uns ein Mercedes das Einreihen in unsere Spur erkämpfte. „bc“ steht ganz einfach für British Columbia und die lockere, legere und faire Art und Weise, sein Leben und seine zwischenmenschlichen Beziehungen nach entspannter Westcoast- Attitude auszurichten.

Wozu sollte man auch rasen im zweitgrößten Land der Erde, wo man die Entfernungen sowieso nur in gefahrenen Tagen und nicht in Minuten oder Stunden misst?

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