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Whitney: Can I Be Me - Trailer und Kritik zum Film

Whitney Houstons Stimme und Karriere waren beispiellos, ihr Lächeln überstrahlte alles. Dennoch waren es Bilder einer Pop-Ikone unter Drogeneinfluss, die Houstons letzte Jahre bestimmten und ein tragisches Ende fürchten ließen. Regisseur Nick Broomfield will jene Schlüsselereignisse ausgemacht haben, die die Abwärtsspirale befeuerten.

Am 11. Februar 2012 geht ein Anruf aus dem Beverly Hilton Hotel in der Notrufzentrale ein. Eine Frau, 48 Jahre alt, sei regungslos in der Badewanne gefunden worden, sie atme nicht mehr. Wenig später werden Medien von der Überdosis der gefallenen Diva Whitney Houston berichten. Der wahre Todesgrund, konstatiert der Film nach Abspielen des Notrufs gleich zu Beginn: ein gebrochenes Herz.

Mittels zahlreicher Homevideo-Aufnahmen, Interviews mit ehemaligen Bandmitgliedern, Mitarbeitern und Houstons Brüdern sowie Archivmaterial und Ausschnitten aus TV-Interviews zeichnet der Brite Nick Broomfield, Regisseur verschwörungslastiger Dokus wie “Kurt & Courtney” und “Biggie and Tupac”, Leben und Fall von Whitney Houston nach. Er nutzt Textinserts für Trivia und Erfolgsdaten – wir erfahren etwa, dass Houston mehr aufeinanderfolgende Nummer-Eins-Hits als die Beatles hatte und ihr Spitzname in der Familie “Nippy” war.

Herzstück der unautorisierten Doku sind bisher unveröffentlichte Aufnahmen von Houstons letzter erfolgreicher Welttournee 2009: Die österreichische Musikvideogröße Rudi Dolezal hatte diese für eine nie vollendete Doku gedreht und erhält deshalb hier eine Nennung als Co-Regisseur. Die überraschend intimen Bilder zeigen eine zwischen Auftritten scherzende, teilweise sichtlich berauschte Frau, die sich auf der Bühne – strahlend, schwitzend, viel Gefühl in ihre Songs legend – verausgabt.

Für jene, die sich bisher nicht näher mit Houstons Leben beschäftigt haben, bergen die knapp 100 Filmminuten manch Neues. Als Cousine von Dionne Warwick und Tochter der Gospelsängerin Cissy Houston wurde sie 1967 im bald von Rassenunruhen erschütterten Newark, New Jersey, geboren – ein Umstand, der (so erzählen es ihre früheren Musiker) später unter den Teppich gekehrt wurde. Im Alter von 19 Jahren von Musikmogul Clive Davis entdeckt, sollte sie eine Karriere hinlegen, die afroamerikanischen Künstlern bisher nicht vergönnt war: Mit Pop statt R&B, mit Prinzessinnen- statt “Ghetto-Image”.

Ebenda, suggeriert die Doku, hat Houstons Zerrissenheit ihren Ursprung. Früh sei sie zu etwas geformt worden, das sie nicht war, um einem weißen Publikum zu gefallen; der afroamerikanischen Community, hören wir Houston in einem Interview sagen, sei sie “nie schwarz genug” gewesen. Den Wunsch, sie selbst zu sein und “ihre” Musik zu machen (“Can I Be Me?”) habe sie immer wieder geäußert, erzählen ihre Musiker. Dass sie 1989 bei den Soul Train Awards ausgebuht wurde, habe sie “emotional vernichtet”. Es sei kein Zufall, dass sie an ebenjenem Abend Bobby Brown kennenlernte – den “Bad Boy des R&B”, der ihr Respekt in der Community verschaffen würde.

Whitney: Can I Be Me – Die Handlung und Kritik

Wie es mit Houston, die bereits seit ihrer Jugend (u.a. mit ihren Brüdern) Drogen konsumierte, unter Browns schlechtem Einfluss weiterging, ist bekannt. “Can I Be Me” macht die Schuldigen der Tragödie aus: neben Ehemann Brown, der Drogen- und Alkoholsucht vorantrieb und sie mehrfach betrog, die rassistische wie homophobe Musikindustrie sowie vor allem die eigene Familie, die finanziell von dem Jahrhunderttalent abhängig war und in entscheidenden Momenten wegsah.

Zentrale Figur in alldem ist eine, die in Dolezals Backstagebildern omnipräsent ist, als Interviewpartnerin aber schmerzlich fehlt: Robyn Crawford. Houstons enger Vertrauten und Assistentin wurde damals eine lesbische Affäre mit dem Popstar nachgesagt, an der Broomfield keinen Zweifel hat. Eine ehemalige Mitarbeiterin spricht aus, worum die Doku tänzelt: Houston sei bisexuell gewesen, der Abschied Crawfords nach sich zuspitzenden Spannungen mit Brown bei der 99er-Tour habe ihr schwer zugesetzt.

Broomfield verwendet sehr viel Zeit auf dieses vermeintliche Liebes-Dreieck, ohne den Input der drei Beteiligten zu haben. Ganz generell erstellt “Can I Be Me” Thesen, für deren Beweis schlicht die Gesprächspartner fehlen. So wirkt die Doku aus der zweiten Reihe erzählt und unvollständig, kratzt nur an der Oberfläche. Zwar wird auf der narrativen Ebene nachvollziehbar, wie sich das Drama so zuspitzen konnte. Doch am Weg wird verallgemeinert und der Bogen zum ähnlichen Schicksal von Houstons Tochter, der 2015 verstorbenen Bobbi Kristina, nicht geschafft.

Was bleibt, ist eine ernüchternde Doku mit selten aufblitzenden Erkenntnissen und Empathie für eine talentierte Frau, die viel für andere und wenig für sich selbst getan hat. Wie Houston wirklich war, was sie gefühlt und gewollt hat, erfahren wir nicht – weil schlicht Menschen fehlen, die uns das sagen könnten. Stattdessen wird Houston als machtloses Opfer ihres Schicksals präsentiert – feministische Hymnen wie “I’m Every Woman” oder “It’s Not Right But It’s Okay”, in der sie Browns Seitensprünge ankreidet, erklingen nicht. Überhaupt spielt ihre Musik nur eine Nebenrolle, sind viele ihrer größten Hits nie zu hören. Die emotionale Wucht und Tiefe eines Musikvideo-Meisterwerks wie “Amy” bleiben unerreicht.

>> Alle Filmstartzeiten zu “Whitney: Can I Be Me”

(APA)

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