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Wer hat die meisten Schnee-Wörter?

Schnee: Immer kalt, meisten weiß, manchmal grau.
Schnee: Immer kalt, meisten weiß, manchmal grau. ©EPA
Er ist immer kalt, meistens weiß, manchmal schon grau: Die Beschreibungen von Schnee sind so vielfältig wie die Sprachen der Völker, die über ihn reden. Wer aber hat die meisten Wörter für die weiße Pracht? Ein Linguist klärt auf: Die Inuit oder Eskimos jedenfalls nicht.

Jedes Jahr im Winter, wenn es schneit, packt irgendwer irgendwo die Legende wieder aus: Hunderte von Wörtern für Schnee sollen Eskimos angeblich haben. Dabei sind es gar nicht mehr, als es im Deutschen gibt, sagt der Linguist Prof. Anatol Stefanowitsch von der FU Berlin.

Wieso sich der Mythos dennoch so hartnäckig hält, welches Volk wirklich viele Wörter für Schnee hat und wieso die Beschreibungen für die weiße Pracht im Grunde unendlich sind, erklärte der Sprachwissenschafter im Interview:

Woher stammt der Mythos, dass Eskimos so viele Wörter für Schnee haben?

Stefanowitsch: “Das ist heute nicht mehr genau festzustellen. Der amerikanische Sprachwissenschafter Benjamin Lee Whorf hat einst das Beispiel von drei Wortstämmen für Schnee gebracht, die die Eskimos haben, wo Englisch nur einen einzigen Wortstamm hat. Damit wollte er zeigen, dass verschiedene Sprachen die Welt auf unterschiedliche Weise aufteilen. Darauf hat sich mit den Jahren ein Mythos aufgebaut, so dass es heute teilweise heißt, die Eskimos hätten bis zu 400 Wörter für Schnee. Diese Vorstellungskraft wird auch von dem Klischee getragen, die Eskimo-Völker würden sich den ganzen Tag nur über Schnee unterhalten, was natürlich Unfug ist. In manchen Gegenden schneit es nur selten, weil es viel zu kalt ist.”

Dann haben die Eskimos auch nicht mehr Wörter für Schnee als wir?

Stefanowitsch: “Man muss wissen, dass es bei den sogenannten polysynthetischen Sprachen der Völker am Nordpolarkreis keine Unterscheidung zwischen Wörtern und Sätzen gibt. Manchmal gibt es auch Begriffe, die zwar zur Beschreibung von Schnee dienen, aber eigentlich etwas anderes heißen.

Die möglichen Beschreibungen für Schnee sind im Grunde unendlich – wie im Deutschen auch, wo wir mit Sätzen und Umschreibungen alle möglichen Schneevarianten benennen können. Wenn man aber tatsächlich nur vom Wortstamm ausgeht, dann gibt es bei den Eskimo-Sprachen – je nach Dialekt – drei bis fünf Wörter für Schnee. Im Deutschen sind es ähnlich viele: Neben Schnee sagen wir zum Beispiel auch Harsch, Firn oder Sulz.”

Und wie halten es andere Sprachen mit dem Schnee?

Stefanowitsch: “Auf jeden Fall mehr Wörter für Schnee als die Eskimos und die Deutschen haben die Isländer. Da habe ich mal die Wortstämme gezählt und komme auf 16 – wenn man das Wort für ‘Hagel’ mitzählt, sind es 17. Es gibt aber sicher auch Sprachen, die gar kein Wort für Schnee haben, einfach, weil sie in Regionen gesprochen werden, in denen es nie schneit.”

(Interview: Alexandra Stahl, dpa)

Begriffe für Schnee: Firn, Snjor und Quanik

Die Isländer haben mehr als die Eskimos, und die Eskimos haben gar nicht so viele, wie man immer denkt: Wortstämme für Schnee. Beschreibungen rund um die weiße Pracht sind aber in allen drei Sprachen vielfältig und nahezu unbegrenzt. Beispiele aus dem Deutschen, Isländischen und West-Grönländischen:

DEUTSCH:

  • Firn: Flocken, mal dicker, mal dünner
  • Schneegriesel: weiße, weiche, längliche, schneeähnliche Gebilde
  • Graupel: trübe Körner
  • gefrierender Nebel: winzige Eiskristalle aus kondensiertem Dampf

ISLÄNDISCH:

  • fannkoma: Schneefall
  • hundslappadrífa: schwerer Schneefall mit großen Flocken bei ruhigem Wetter
  • lausamjöll: Pulverschnee
  • ofanbylur: Schneefall bei Wind

WEST-GRÖNLÄNDISCH:

  • quanik: fallender Schnee
  • quanniapaluk: sehr leichter Schnee, der in ruhiger Luft fällt
  • kavirisirlaq: durch Regen und Frost aufgerauhter Schnee
  • illusaq: zum Bauen eines Iglus geeigneter Schnee

(APA)

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