"Wenn Frau Gamon meint, nicht die Fahrzeit sei entscheidend, soll sie im Winter um 16 Uhr von Partenen nach Feldkirch fahren"

Irmgard Salzmann ist Hebamme. Schon viele, viele Jahre. Von der Schließung der Geburtenstation in Bludenz hält sie nichts. "Das ist eine Zumutung für alle. Für die Mamas, aber auch für das Personal vor Ort." Im Gespräch mit VOL.AT bei ihr zu Hause zeigt sie sich einerseits wütend auf die Politik und die KHBG, andererseits traurig und besorgt im Hinblick auf "ihre" Schwangeren.
Mehr Arbeit für betreuende Hebammen
Irmgard Salzmann hat bereits zahlreiche Babys auf die Welt gebracht. Im Mai 1982 begann sie im damaligen Entbindungsheim, dem Josefsheim, in Schruns. Später arbeitete sie viele Jahre lang als Teil des Teams des Bludenzer Krankenhauses. Seit März dieses Jahres ist sie pensioniert. Zumindest teilweise. Angestellt am Krankenhaus ist sie nicht mehr. "Zum Glück", sagt sie heute. Denn in Feldkirch am LKH zu arbeiten, kann sie sich nicht vorstellen. Die Arbeit als Hebamme hat sie dennoch nicht gänzlich niedergelegt. Werdende Mütter aus dem Montafon können sich weiterhin an sie wenden, ihren wöchentlichen geburtsvorbereitenden Turnkurs besuchen und die Vor- und Nachsorge in Anspruch nehmen. Auch im Falle von spontanen Komplikationen ist sie jederzeit erreichbar. Dieser Teil des Jobs könnte nun weitaus umfangreicher werden, meint sie.

"Ich fürchte, dass ich ab Jänner viel häufiger spontan gerufen werde. Weil es schnell gehen muss oder sich Zweit-, Dritt- und Viertgebärende nicht mehr nach Feldkirch trauen", meint sie. Aus ihrer langjährigen Berufserfahrung weiß sie, dass selbst die Strecke nach Bludenz, etwa aus Gargellen oder Partenen, für Gebärende eine echte Herausforderung sein kann. Insbesondere im Winter sei eine Schließung der Bludenzer Station deshalb fahrlässig, so ist sie überzeugt. "Im Winter haben wir klassischen Reiseverkehr. Die Babys richten sich aber nicht danach, wann die besten Zeiten für ihre Eltern zum Fahren sind. Babys kommen dann auf die Welt, wenn sie bereit sind. Zum Beispiel an einem Februarsamstag um 16 Uhr. Abreiseverkehr aus dem Montafon. Allgemeinen Verkehr gibt es natürlich auch an der Bärenkreuzung. Da sprechen wir dann nicht mehr von 50 Minuten Fahrzeit, sondern gut und gerne vom Doppelten, wenn man bedenkt, dass man aus dem Montafon heraus schon eine Stunde brauchen kann", so die St. Gallenkirchnerin.

"In Bludenz wurde nicht unsicher entbunden"
Vor allem ärgert sie sich darüber, dass Politikerinnen und Politiker von außerhalb des Montafons darüber urteilen, ob eine Fahrt zumutbar ist. Als Beispiel nennt sie die Neos-Obfrau Claudia Gamon. "Wenn Frau Gamon meint, die Fahrzeit sei nicht entscheidend, soll sie im Winter um 16 Uhr von Partenen nach Feldkirch fahren", ärgert sich Salzmann. Gleichzeitig findet die Hebamme es nicht richtig, dass unter dem "Deckmantel der Sicherheit der Schwangeren" argumentiert wird. Verlegungen aufgrund von Komplikationen habe es immer gegeben. "Aber bei uns in Bludenz hat man auf keinen Fall unsicher entbunden", so Salzmann. Pro Jahr habe es lediglich eine Handvoll Fälle gegeben, in denen eine Verlegung während der Geburt nach Feldkirch nötig gewesen sei. "Man muss ja wissen: Alle Risikoschwangerschaften wurden von vornherein nach Feldkirch geschickt", argumentiert sie. In solchen Fällen sei das natürlich auch die beste Wahl. "Aber auch ohne diese Fälle hatten wir rund 450 Geburten pro Jahr."

Wenn all diese Geburten nach Feldkirch verlegt würden, würden dort pro Jahr rund 1500 Kinder geboren. Im Schnitt sind das 4,1 pro Tag. "Das wird für die Schwangeren bedeuten, dass sie sich in deutlich volleren Zimmern schlechter erholen und das Spital früher verlassen müssen", ärgert sie sich.
Hausgeburten keine Alternative
Hausgeburten, so meint Salzmann, sind im Montafon keine sinnvolle Alternative. "Ich verstehe den Hintergedanken und würde es grundsätzlich für gutheißen. Die Schwangeren können dann in deutlich ruhigerer Atmosphäre entbinden. Aber im Montafon ist im Notfall absolut keine medizinische Hilfe in erreichbarer Nähe", sagt sie. Das sei schließlich noch unsicherer, als in einem Krankenhaus zu entbinden, in dem keine passenden Fachärzte, aber immerhin Mediziner anderer Fachrichtungen ansässig sind.

Pläne für ein Geburtshaus
Auf Nachfrage, weshalb im Montafon kein Geburtshaus errichtet werde, entgegnet die Hebamme: "Weil es zu teuer ist." In Geburtshäusern haben Schwangere die Möglichkeit einer außerklinischen, hebammengeleiteten, ambulanten Geburt. Eine Entbindung dort schließt eine individuelle Betreuung während der Schwangerschaft, der Geburt und in der Regel auch im Wochenbett mit ein. Bestrebungen, ein solches Haus zu errichten, habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Es scheitere aber vor allem an finanziellen Mitteln.
Salzmann ist vor allem über die Gesamtsituation verärgert und gleichzeitig von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in den betroffenen Talschaften enttäuscht. "Es wird zwar von allen bedauert, aber ich hätte mir echten Widerstand erwartet", meint sie. Dass eine Entscheidung mit derartiger Tragweite einfach hingenommen wird, kann sie nicht nachvollziehen. "Ich glaube und hoffe, dass man noch etwas bewegen kann. Wenn wir jetzt alle gemeinsam laut werden!"
(VOL.AT)
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