AA

Wenn ein Verfahren Jahrzehnte dauert

Raggal - Was sagt Raggals Bürgermeister Hermann Manahl? Die Sache mit den Statuten werde falsch dargestellt: "Wir haben das bei einer öffentlichen Veranstaltung in Marul öffentlich kundgemacht – weil uns wichtig ist, die Menschen mit einzubeziehen."

Deshalb seien in die Statuten auch “diverse Einwendungen mit eingearbeitet worden”. In der Sache beruft sich Manahl auf eine Rechtsauskunft des Landes, wonach dieses Vermögen des Ortsteils Marul Gemeindegut sei. Den Schritt dürfe man nicht überschätzen: “Es ist jetzt Gemeindegut, aber wir ändern ja nichts.

Es war nur die bisherige rechtliche Form nicht mehr zulässig.” Das Geld aus den “Wald-Einnahmen” habe der Ortsteil Marul bislang schon bekommen: “Das wird auch weiterhin so bleiben, es kommt dem Besitzer zu­gute.” Er selbst sei Maruler und vor seiner Bürgermeister-tätigkeit 15 Jahre Ortsvorsteher von Marul gewesen: “Und ich habe in all den Jahren nie eine Abstimmung erlebt, in der die Gemeinde gegen Marul gestimmt hätte.”

Stichwort Raggal – Marul Marul ist ein Ortsteil der Gemeinde Raggal im Großen Walsertal. Marul liegt in Hanglage über dem Marulbach und wurde erst 1934 mit einer Straße erschlossen. 1938 – beim Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich – wurde die Ortschaft Marul aufgelöst, der Besitz der Gemeinde Raggal zugeteilt. 1945 wurde dies rückgängig gemacht.

In Marul, einem Ortsteil von Raggal, fand Anfang Mai eine Versammlung statt, die es in sich hatte. Raggals Bürgermeister Hermann Manahl teilte auf dieser Sitzung mit, dass nun die Gemeinde Raggal im Besitz des 288 Hektar großen Maruler Waldes sei. Respektive, dass der bisherige Wald der Ortschaft Marul nun Raggaler Gemeindegut werde. Die Statuten würden in Bälde von der Gemeindevertretung beschlossen.

Keine Chance auf Änderung

Der Ortsteil Marul steht damit vor vollendeten Tatsachen – in der Gemeindevertretung sind die Maruler in der Minderheit, können die Statuten nicht verhindern. Und damit nicht mehr über ihren Wald verfügen. Das hat auch finanzielle Folgen: Die nicht unerheblichen Einnahmen – aus der Jagd etwa oder aus der Holznutzung – kamen bisher ausschließlich Marul zugute. Wobei die Maruler den Wald bisher stets alleine bewirtschaftet, auch auf eigene Kosten die Infrastruktur errichtet hatten. Nun aber werden diese Einnahmen an die Gemeinde Raggal fließen.

Der Protest der Maruler

“Das ist nicht akzeptabel, weil nun per Gesetz den Marulern ihr Eigentum weggenommen und der Gemeinde überschrieben wird”, sagt Emil Burtscher – einer von mehreren Marulern, die sich gegen “diese Machenschaften” stellen. “Das ist eine kalte Enteignung”, sagt FPÖ-Abgeordneter Hubert Kinz. Und das, obwohl Dokumente und Verträge längst vergangener Zeiten Marul eben jene Waldungen zugesprochen hatten. Und in noch einem Punkt sehen sich die Maruler getäuscht – hatte man sich doch seit Jahrzehnten um eine Lösung bemüht. Bereits 1974 (!) hatte der damalige Maruler Ortsvorsteher einen Antrag zur Regulierung des Ortsschaftsbesitzes durch Umwandlung in eine Agrar­gemeinschaft gestellt.

Erst 1983 wurde dieses Verfahren eröffnet – und liegengelassen. Auch nach dem neuen Gemeindegutgesetz 1999 blieb die Angelegenheit ungelöst. 2003 sprach dann Emil Burtscher – damals Ortsvorsteher – bei der Agrarbezirksbehörde vor, um sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Auskunft: Das Verfahren sei nicht abgeschlossen, könne jederzeit erledigt werden. Von wegen: Die Gründung der entsprechenden Agrargemeinschaft ist bis heute weder verfahrensrechtlich beendet, geschweige denn positiv erledigt worden. 36 Jahre nach Antragstellung!

“Ungleichbehandlung”

Bis dann eben Manahl die erwähnten Statuten präsentierte. Raggal mit seinem eigenen Wald hatte da einen weit besseren Zugang zur Behörde: Ihr Antrag auf Gründung einer Agrargemeinschaft wurde in den 70er-Jahren rasch und positiv abgewickelt. Kinz thematisiert den Fall nun in einer Landtagsanfrage, will von Landesrat Erich Schwärzler Antworten. Warum kann die Gründung einer Agrargemeinschaft zugunsten Maruls nicht durchgeführt werden? Warum werden Satzungen ohne Mitwirkung der Betroffenen gemacht?

“Dass Verfahren über solche Sachen derart lange gehen, ist inakzeptabel”, sagt Kinz. Zudem sei die Ungleichbehandlung von Gemeindeteilen, die Ungleichbehandung von Bürgern, untragbar. Das sagt auch Burtscher: “Wir haben nichts zu sagen, können nicht einmal Ja zu den Statuten sagen, geschweige denn Nein.” Was aber sagt Landesrat Schwärzler? Die Frage, ob die Rechte nun dem Ortsteil Marul oder der Gemeinde Raggal zuzuschlagen seien, werde derzeit von Landesjuristen “fachlich und sachlich sauber geprüft”.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Raggal
  • Wenn ein Verfahren Jahrzehnte dauert