So fängt Elizabet Hintners Geschichte schon mal an.
Wir waren guter Mittelstand. Der Vater selbstständiger Schneider. Die Kinder besuchen einen privaten armenischen Kindergarten in Ankara. Man fährt einmal im Jahr auf Urlaub.
Dann zieht die älteste Tochter nach Österreich. Der Vater fährt sich das anschauen. Und beschließt, dass alle umsiedeln werden. Er kriegt zwar nur einen Hilfsarbeiterjob. Aber ich glaube, er wollte nur, dass die Familie wieder zusammenkommt, vermutet Elizabet.
Damals hat sie gelitten. Ein Mädchen mit 13 Jahren. Aus der Zehn-Millionen-Stadt nach Göfis. Im August 1973 sind wir angekommen. Ab September geht Elizabet zur Schule. Sie spricht kein Wort Deutsch.
Vorerst bleibt sie stumm. Zwei Jahre lang. In ihren ersten Zeugnissen stehen Noten für Handarbeiten und Turnen. Die anderen Felder bleiben leer.
Ich wollte nur nach Hause. Aber das erzwingt sie nicht. Irgendwann wird der Papa deutlich: Los zua, sagt er zur Tochter, wo ich bin ist die Familie. Und jetzt reiß dich zusammen. Den Ausschlag aber gibt eine Berufsberaterin. Die sagt Elizabet, dass sie mit drei Dreiern im Hauptschulzeugnis Chancen auf eine Lehrstelle hätte. Sonst braucht sie gar nicht anzutreten.
Von da an spricht sie. Und lernt. Unglaublich tolle Mitschüler helfen ihr. Bis ihr eine Friseurin eine Lehrstelle zusagt. Geschafft! Denkste.
Das Arbeitsamt hat gesagt, zuerst müssten alle Inländerinnen versorgt werden. Wenn was übrig bleibt, käme ich dran. Heute versteht sie das zum Teil. Damals hat sie nur Wut empfunden. Der Mann beim Arbeitsamt sagt, sie solle halt warten. Wie lange? Ein Jahr. Da packt sie ihr Zeugnis und bewirbt sich bei Kunert. Prompt landet sie im Labor. Mittlerweile hat sie Jobs und Ausbildungen hinter sich. Sie ist mit einem Thüringer verheiratet und Mutter eines Buben. Sie hat’s geschafft. Oder?
Vor kurzem hat ein Mitschüler ihren Sohn einen Türken genannt. Da gab er zurück: Frag doch mal deine Mama, wo eure Wurzeln liegen.
ZUR PERSON
Elizabet Hintner
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