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Wenn auch halbherzig - Barroso kann auf Rückhalt bei EU-Gipfel zählen

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso kann sich der Unterstützung der EU-Staaten für eine zweite Amtszeit ziemlich sicher sein.

Dennoch hat er noch nicht allen Grund zum Jubeln. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen den 53-jährigen portugiesischen Konservativen nämlich noch etwas zappeln lassen. Sie wollen, dass der EU-Gipfel Ende nächster Woche Barroso zwar für weitere fünf Jahre an der Spitze der EU-Kommission benennt, aber dass die formelle Entscheidung erst im Herbst unter dem Lissabon-Reformvertrag getroffen wird.

Dies ist nicht ganz das, was Barroso selbst gefordert hatte. Er hatte am Mittwoch auf eine rasche Entscheidung über seine Kandidatur “auf Basis der geltenden Verträge” gedrängt. Es wäre “undemokratisch”, eine Entscheidung auf Grundlage eines Vertrages zu treffen, der noch nicht gelte, wetterte er sichtlich emotional gegen ein Abwarten auf den Lissabon-Reformvertrag. Voraussichtlich erst im Oktober nach einem zweiten Referendum in Irland wird klar sein, ob das im vergangenen Jahr noch von einer Mehrheit der Iren verworfene Vertragswerk so wie in Brüssel erhofft vor Jahresende in Kraft treten kann.

Außerdem, so warnte Barroso, entstünde durch weiteres Zuwarten “ein Vakuum, eine Lähmung, nicht nur der EU-Kommission, sondern der Europäischen Union”. Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise liefert ihm und den Befürwortern täglich neue Argumente dafür, wie handlungsfähig Europa in diesen Tagen sein muss.

Hintergrund der zögerlichen deutsch-französischen Haltung sind nicht Zweifel an der Person Barrosos, sondern die Sorge um den Lissabon-Reformvertrag und allfällige “schlechte Signale” vor einer zweiten Abstimmung auf der grünen Insel. Sarkozy selbst hatte stets öffentlich eine Wiederwahl von des Portugiesen unterstützt, aber noch im März erklärt, es habe wenig Sinn, den Kommissionspräsidenten vor einem zweiten Referendum in Irland zum EU-Reformvertrag von Lissabon zu wählen.

Sollte nämlich der Lissabon-Vertrag in Kraft treten, müsste schließlich noch die gesamte nächste EU-Kommission nach dem neuen Vertrag ernannt werden. Sollte aber der Reformvertrag nicht kommen, steht die EU im Herbst vor einem Riesenproblem: Nach dem Vertrag von Nizza muss die EU-Kommission, in der derzeit alle 27 EU-Staaten einen Kommissar stellen, verkleinert werden. Mit frühzeitiger Festlegung auf Barroso als Kommissionschef würde aber auch implizit entschieden, dass Portugal nicht auf seinen Vertreter in der nächsten Kommission verzichten muss.

Dabei gebe es unter den 27 EU-Staaten vor dem Gipfeltreffen in Brüssel nächste Woche “einen sich abzeichnenden Druck” von Ländern, die auch rasch rechtliche Klarheit schaffen wollten, sagte ein ranghoher Diplomat. Für eine rasche formelle Bestellung des nächsten Kommissionspräsidenten hatte sich etwa der schwedische Ministerpräsident und künftige EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt ausgesprochen, der ab Juli Regie bei den anstehenden EU-Personalentscheidungen im EU-Rat führt. Ansonsten “wäre die EU-Kommission auf ein Abstellgleis gestellt”, warnte Reinfeldt.

Sollte Barroso von den Staats- und Regierungschefs kommende Woche nur politisch Rückendeckung erhalten, aber noch kein offizieller Kandidat des Rates sein, könnte das frisch gewählte Europaparlament nicht wie gewünscht schon Mittel Juli über den Kommissionschef abstimmen. Denkbar wäre dann allenfalls eine politische, aber rechtlich unverbindliche Resolution des Parlaments. Hinter den Kulissen suchen derzeit der grüne Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit und der Chef der europäischen Sozialdemokraten, Poul Nyrup Rasmussen, in Gesprächen mit den Liberalen und anderen nach Mehrheiten, um eine zweite Amtszeit von Barroso zu verhindern. Grüne und Sozialdemokraten alleine haben dafür keine Mehrheit.

Sollte der nächste EU-Kommissionspräsident erst im Herbst nach dem Lissabon-Vertrag vom EU-Parlament gewählt werden, wäre die Hürde jedenfalls etwas höher als nach dem geltenden Nizza-Vertrag: Dann bräuchte Barroso mindestens 369 der 736 Abgeordneten auf seiner Seite, vorher würde schon die einfache Stimmenmehrheit reichen. Aber auch im EU-Rat wird hinter vorgehaltener Hand gescherzt: Obwohl bisher keine Regierung offen Widerstand an einer zweiten Amtszeit für den Portugiesen angemeldet hat, würde die Entscheidung wohl nicht einstimmig zugunsten Barrosos ausgehen, wenn es eine geheime Abstimmung gäbe, sagte ein Insider.

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