Weltflüchtlingstag: Wenn Leben zerrissen werden

Die Zeugnisse, beglaubigte Schreiben in Farsi und Englisch: Sie erzählen von einem anderen Leben. Es hat sich in Afghanistan zugetragen. Eine Frau und ein Kind gehören dazu. Aber 2011 hat Ruhallah diese Heimat verlassen. Die Familie ließ er zurück.
“Wie geht es Ihnen?”
Ruhallah Baryalai ist 38 Jahre alt. Er hat fürs Interview seinen besten Anzug angezogen. Höflich erkundigt er sich: „Wie geht es Ihnen?“ Viele Flüchtlinge führen diese Frage als einen der ersten erlernten deutschen Sätze wieder und wieder auch dann ins Treffen, wenn sie längst beantwortet wurde. Aber Ruhallah hat eine Geschichte zu erzählen. Er hat sie aufgeschrieben. Seine Fluchtgeschichte füllt ein zerknittertes Din-A4-Blatt, kariert.
Rund 2500 Menschen leben als sogenannte Konventionsflüchtlinge in Vorarlberg. Sie sind bleibeberechtigt. Ruhallah zählt nicht dazu. Er hat nach seiner Ankunft in Wien-Schwechat im September 2011 um Asyl gebeten. Kam nach Traiskirchen und dann in die Männer-WG nach Wolfurt. Der Richter am Innsbrucker Bundesasylamt hat sein Ansuchen abgelehnt. Ruhallah hat berufen. Jetzt hofft er.
Der junge Mann entstammt einer wohlhabenden Familie aus dem Volk der Paschtunen. Nach vier Jahren an der Universität von Kabul hat er während des Praxisjahrs an einer Klinik der Hauptstadt seine Frau kennengelernt. Auch sie ist Ärztin. Im Osten des Landes haben sie zu zweit eine Praxis eröffnet.
Sollte Taliban über Patienten informieren
Alles ging gut. Sie fanden viele Patienten. Doch die Taliban sind mächtig in diesem Teil des Landes. Selbstmordanschläge zählten zum Alltag. Ruhallah hat vom Polizeichef abwärts jeden behandelt. Eines Tages forderten ihn drei Männer auf, sie anzurufen, sobald wichtige Persönlichkeiten die Praxis aufsuchen. Ruhallah weigerte sich. Sie gaben ihm Bedenkzeit. Kehrten fünf mal zurück. Schließlich drohten sie, ihn zu töten und schlugen ihn bewusstlos.
Ruhallah floh. Seine Frau und die gemeinsame Tochter verstecken sich heute in Kabul. Ein Jahr lang war er ohne Nachricht. Halb wahnsinnig vor Angst. Inzwischen können sie über Internet telefonieren. „Wenn mit Skype rede ich mit mein Kind, sie ruft mir Onkel“, sagt Ruhallah in seinem gebrochenen Deutsch. Er möchte hier bleiben. Frau und Tochter aber nachholen, bevor die Entfremdung entgültige Züge annimmt.
Nach zwei Jahren Exil hilft Ruhallah bei den Wolfurter Pfadfindern mit, Behinderte zu betreuen. Und am Freitag, de, dem Weltflüchtlingstag, wird er mit anderen sein Bestes geben. Da gibt es Tanz, Musik und Speisen aus aller Welt. Damit Vorarlberger jene Welt besser verstehen lernen, die andere über Nacht zurücklassen mussten. (VN/Thom
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