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Weizenkörner zum Gedenken

Egg - Die Volksschüler haben Weizenkörner in die Erde gedrückt. Den Hauptschülern erzählte Lehrer Karl Greber, wie er zum letzten Mal den Gottesdienst vorbereitet hat im Egger Vinzenzheim.

Die Bewohner baten ihn noch, wieder zu kommen. Jetzt, um 8.30 Uhr, zeigt ein Projektor die Bilder der zwölf Verstorbenen in der Aula des Gymnasiums Egg. Denn „nach der Brandkatastrophe in unserer Nachbarschaft können wir nicht zur Tagesordnung übergehen“. Deshalb haben Hanspeter Sutterlüty und seine Religionslehrerkollegen an den drei Egger Schulen Gedenkfeiern vorbereitet. So beginnt das zweite Semester 2008 anders. Wie auch der Schulweg stiller war. Klar, man hat sich viel zu erzählen nach den Ferien. Vom Skifahren und Snowboarden. Ein paar humpeln auf Krücken daher. Andere trödeln braungebrannt dem Alltag zu. Und alle gehen sie am Vinzenzheim vorbei. Schauen zur schwarzen Fahne hoch und auf die leeren Bänke in der Morgensonne. Eine Siebtklässlerin aus Schoppernau erinnert sich an den alten Herrn, der immer herübergewinkt hat, Prof. Sonja Schöpf an den „schönen Tag“, den man sich gegenseitig wünschte. Jeden Morgen, Jahr um Jahr. Bis die liebe kleine Gewohnheit ihren festen Platz hatte im tausendteiligen Alltagsmosaik.

Schülergedenken

Heute stehen die Bänke leer. In der Aula des Gymnasiums nebenan wird es zur vereinbarten Zeit mucksmäuschenstill. Schülerinnen der 8ai erinnern auf ihre Weise an die Opfer. In wenigen, eindrucksvollen Worten. Mit einfachen Liedern. So nehmen sie ihre Nachbarn ein letztes Mal in ihre Mitte: Erna Kuhn mit ihren dicken, knuddeligen Stoffbären, Frieda Willi, stolz in der Wäldertracht, die Zenz, die so gern Freddy Quinn gehört hat. „Gott ruft ihnen zu, ich habe dich in meine Hand geschrieben.“ Zwölf Namen und zwölf Bilder. Ihnen folgen über 100 Kerzen. Schweigend tragen sie Schüler, Lehrer und Direktor Reinhold Rinner zum Abschluss der Feier zum Vinzenzheim hinüber. In die alte Nachbarschaft. Halten sich an den Händen und singen das Vaterunser. Ganz leise ertönt das Gebet im Verkehrslärm. Leise und doch unverbrüchlich. Wie ein Versprechen. Schülerin und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer entfachen kleine rote Kerzen. Dann endet das Schweigen. Auf dem Rückweg gewinnt der Alltag rasch wieder Oberhand. Drüben in der Volksschule aber liegt jetzt Weizen in der Erde. Er wird keimen und wachsen. Und übers Jahr wollen die Schüler ihn auf die Gräber tragen.

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