AA

Weit über 100 Tote nach Terror bei Moskau - Kreml deutet Verwicklung der Ukraine an

Von Putin bis RT: In Russland gibt es zahlreiche Stimmen, die die eine Verbindung zur Ukraine zumindest andeuten.
Von Putin bis RT: In Russland gibt es zahlreiche Stimmen, die die eine Verbindung zur Ukraine zumindest andeuten. ©APA/AFP, AP
Nach dem Anschlag auf Besucher einer Konzerthalle bei Moskau ist die Zahl der Todesopfer deutlich gestiegen. Zudem deuten Präsident Putin und der Kreml wiederholt eine Verwicklung der Ukraine an.

Darum geht's:

  • Über 130 Tote nach Terroranschlag in Moskau
  • Kreml beschuldigt Ukraine, Hintermänner festgenommen
  • IS reklamiert Anschlag für sich, Rusland-Ukraine-Konflikt im Fokus

Die staatliche Ermittlungskomitee sprach am Samstag von mindestens 133 Toten, im Staatsfernsehen war zuvor von 143 Toten die Rede gewesen. Der Kreml vermeldete die Festnahme von elf Personen im Zusammenhang mit dem tödlichsten Anschlag in Russland seit 20 Jahren. Darunter seien auch die vier mutmaßlichen Attentäter.

Diese waren nach Angaben des Inlandsgeheimdienstes FSB auf dem Weg zur ukrainischen Grenze, als sie gefasst worden seien. Auf der ukrainischen Seite hätten sie über Kontakte verfügt. Belege für eine Verbindung in die Ukraine, gegen die Russland seit mehr als zwei Jahren Krieg führt, wurden jedoch zunächst nicht präsentiert. Die radikale Miliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich und veröffentlichte ein Foto, das die vier mutmaßlichen Attentäter zeigen soll. Der Anschlag stehe im Zusammenhang mit dem "tobenden Krieg" zwischen dem Islamischen Staat und den Ländern, die den Islam bekämpften, teilt die Nachrichtenagentur Amak, das Sprachrohr der IS-Miliz, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.

Putin deutet Ukraine-Beteiligung an

Der russische Präsident Wladimir Putin nannte den Angriff eine "barbarische terroristische Tat" und sagte in einer Fernsehansprache Samstag, alle Angreifer seien festgenommen worden und hätten versucht, in die Ukraine zu fliehen. Vorläufige Informationen deuteten darauf, dass einige Personen auf ukrainischer Seite bereit gewesen seien, sie von Russland aus über die Grenze zu lassen, sagte Putin. Auch Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa verurteilte den Anschlag als terroristischen Angriff. "Wir wissen jetzt, in welchem Land diese verdammten Bastarde sich vor ihrer Verfolgung verstecken wollten: in der Ukraine", erklärte sie über den Kurznachrichtendienst Telegram.

Chefin des Staatsmediums RT macht Ukraine

Die Chefin des russischen Staatsmediums RT, Margarita Simonjan, sieht die Verantwortlichen für den Terroranschlag auf die Konzerthalle bei Moskau nicht bei der Terrormiliz Islamischer Staat. Diese Version sei von US-Seite gestreut worden, behauptete sie am Samstag bei Telegram, ohne Beweise vorzulegen. Nach Darstellung Simonjans, die in russischen Geheimdienstkreisen gut vernetzt ist, sollen hingegen Ukrainer für die Tat verantwortlich sein. Die Täter seien so ausgewählt worden, "dass man eine dumme Weltgemeinschaft davon überzeugen kann, dass es der IS war", behauptete Simonjan weiter. 

Ukraine weist Beteiligung scharf zurück

Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR wies die Behauptungen deutlich zurück. Putins Anschuldigung sei eine "absolut falsche und absurde Aussage", sagte HUR-Vertreter Andrij Jussow am Samstag laut ukrainischen Medien. "Seit mehr als zwei Jahren dauert die Vollinvasion an, die Grenzgebiete sind voller feindlicher Truppen, Spezialagenten, Vertretern von Geheimdiensten und Sicherheitskräften. Die Grenzlinie ist vermint, sie wird mit allen Mitteln überwacht - darunter Luftaufklärung von beiden Seiten." Der Ukrainer fügte hinzu: "Natürlich kann diese Version keiner Kritik standhalten. Das versteht jeder auf der Welt, außer vielleicht der zombifizierten russischen Bevölkerung." Jussow beschuldigte den Kreml zudem, die Tragödie in Moskau nutzen zu wollen, um Repressionen im eigenen Land weiter zu verschärfen.

IS-Bekenntnis in Moskau angezweifelt

Anschlag in Konzerthalle bei Moskau

Am Freitagabend hatten Täter in Tarnkleidung mit automatischen Waffen das Feuer auf Besucher der Crocus City Hall am Rande von Moskau eröffnet, wie das für Schwerverbrechen zuständige Ermittlungskomitee mitteilte. Einige Opfer seien durch Schüsse umgekommen, andere durch einen Großbrand, der in dem Gebäudekomplex ausgebrochen sei.

Medienberichten zufolge legten die Angreifer das Feuer mit Benzinkanistern, die sie in Rucksäcken transportiert hätten. Menschen flohen in Panik. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals Basa, das über gute Kontakte zu den Strafverfolgungsbehörden verfügt, wurden allein 28 Leichen in einem Toiletten-Raum entdeckt und 14 auf einer Treppe. "Viele Mütter wurden mit ihren Kindern in den Armen gefunden."

In Moskau bildeten sich am Samstagmorgen lange Schlangen von Menschen, die Blut spenden wollten. Mehr als 120 Menschen wurden bei dem Angriff nach Angaben der Gesundheitsbehörden verletzt. Beim Wegräumen der Trümmer in der Konzerthalle des Zentrums hätten Einsatzkräfte weitere Leichen gefunden, teilte das Ermittlungskomitee am Samstag auf Telegram mit. Die Suche nach möglichen weiteren Opfern dauere an, hieß es.

Verdächtige festgenommen

Nach Angaben des russischen Parlamentsabgeordneten Alexander Chinschtein flohen die Angreifer in einem Renault, der von der Polizei in der Region Brjansk etwa 340 Kilometer südwestlich von Moskau Freitagabend entdeckt wurde. Nach einer Verfolgungsjagd seien zwei Personen festgenommen worden. Die anderen beiden seien zu Fuß in einen Wald geflohen. Sie wurden aber offenbar später auch festgenommen. Chinschtein zufolge wurden in dem Auto eine Pistole, ein Waffenmagazin, und tadschikische Pässe gefunden. Tadschikistan ist ein überwiegend von Muslimen bewohnter Staat in Zentralasien, der einst zur Sowjetunion gehörte.

Ungeachtet der Beteuerungen aus Kiew, in den Anschlag nicht verwickelt zu sein, forderte der einflussreiche russische Parlamentarier Andrej Kartapolow eine deutliche und konkrete Reaktion auf dem Schlachtfeld, sollte sich das Gegenteil herausstellen. Russland startete seinen Krieg gegen die Ukraine im Februar 2022. Zuletzt waren vermehrt auch Angriffe von ukrainischem Gebiet aus auf russisches Territorium gemeldet worden.

War Moskau von USA gewarnt worden?

In Washington sagte ein US-Regierungsvertreter, die USA hätten Russland in den vergangenen Wochen vor einem Anschlag in Moskau gewarnt. Details nannte er nicht, bestätigte aber, dass sich die IS-Miliz zu dem Angriff bekannt habe. Vor zwei Wochen hatte der FSB nach eigenen Angaben einen Anschlag auf eine Moskauer Synagoge durch einen afghanischen IS-Ableger verhindert. Dieser habe sich auf Russland in den vergangenen zwei Jahren fixiert und oft auch Putin kritisiert, sagte der Terrorismus-Experte Colin Clarke von der Denkfabrik Soufan Center.

Der IS war bekanntgeworden, als er in weiten Teilen des Irak und Syriens ein Kalifat ausgerufen hatte. Er hat auch in anderen Ländern, darunter auch in Europa, zahlreiche Anschläge für sich reklamiert. Russland hatte sich 2015 in den syrischen Bürgerkrieg eingeschaltet, um Präsident Bashar al-Assad gegen die Opposition und den IS zu unterstützen.

(APA)

  • VOL.AT
  • Politik
  • Weit über 100 Tote nach Terror bei Moskau - Kreml deutet Verwicklung der Ukraine an