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"Wassa Schelesnowa" im Wiener Burgtheater

Wassa Schelesnowa im Burgtheater in Wien
Wassa Schelesnowa im Burgtheater in Wien ©APA/ROBERT JAEGER
"Viel Böses, viele Sünden lasten auf mir", räumt sie ein, nachdem sie die Männer alle beiseite geräumt hat. Und setzt nach: "Wenn auch gegen nichtsnutzige Menschen, trotzdem, ich habe Mitleid mit ihnen, wenn ich sie ruiniere."
Bilder der Aufführung

Mit Maxim Gorkis “Wassa Schelesnowa” – gespielt wird die Urfassung von 1910, die später unter dem Eindruck von Oktoberrevolution und Sowjetherrschaft umgearbeitet wurde – feierte Andreas Kriegenburg, einst unter Klaus Bachler Hausregisseur, am Donnerstag sein Comeback an der Burg. Der zweidreiviertelstündige Abend überzeugte auf ganzer Linie, wiewohl der Applaus am Ende ruhig enthusiastischer hätte ausfallen dürfen.

Erstaunliches Finale eines großen Theaterabends

Die Bühne des am Mozarteum ausgebildeten Salzburgers Harald B. Thor ist ein Geniestreich. Sie besteht aus einer an Drahtseilen in die Höhe ziehbaren wie kippbaren, gewölbten Holzkonstruktion, die als Spielfläche ebenso dient wie als Dach. Weil nicht nur der Haussegen schief hängt, sondern die Dinge unter dem strengen Regiment der Unternehmerin Wassa, die zu verhindern sucht, dass die familiäre Ziegelfabrik zu Ziegelstaub zerbröselt, insgesamt in Schieflage geraten, sind die Möbel vorsorglich angeschraubt. Das ist auch nötig, denn immer wieder kippt der Boden, der auch als Riesenschaukel dient, derart, dass die Schauspieler nur durch akrobatische Einlagen oder dank Seilsicherung nicht abrutschen. Man kann sich an dieser ebenso originellen und vielseitig verwendbaren Bühnenlösung gar nicht sattsehen!

Zu ebener Erde gleiten auf der Drehbühne unterdessen gemächlich Wassas seit Monaten ans Bett gefesselter, im Sterben liegender Ehemann Zachar sowie zwei Pianinos vorbei. Leise Musik ist ein nahezu ständiger Begleiter der Handlung, die ruhig und wortlos beginnt. Minutenlang wird gar nicht gesprochen, sondern vom Dienstmädchen (Alina Fritsch) und der als Hausmagd missbrauchten entfernten Verwandten (Sabine Haupt) angezogen und aufgeräumt. Die Pointe: Werden die umherliegenden Tücher zusammengefaltet, kommentieren sie per Schrift-Aufdruck das Geschehen: “Nur Geduld. Das kann dauern”, heißt es da etwa.

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Wassa Schelesnowa im Burgtheater

Der einstige Regie-Rebell Kriegenburg, mittlerweile fast 52, beweist in seiner Inszenierung großes Tempogefühl. Zunächst etabliert er mit dem von Kostümbildnerin Andrea Schraad mit nuancenreicher cremefarbener Garderobe ausgestattetem Ensemble Tschechow’sche Ennui-Tableaus, in denen der allgemein beklagte, doch nicht bekämpfte Stillstand herrscht. Unangefochten im Mittelpunkt: Christiane von Poelnitz als kalte, rücksichtslose Mutter, an der die Söhne (Neuzugang Martin Vischer vom Schauspielhaus und Tino Hillebrand) ebenso zerbrechen wie die Schwiegertöchter (Frida-Lovisa Hamann und Aenne Schwarz). Mit dem Auftauchen der selbstbewussten Tochter Anna (Andrea Wenzl nonkonformistisch in zitronenfarbenem Outfit) ändert sich schlagartig nicht nur das Machtgefüge, sondern auch das Tempo. Alle buhlen um Annas Gunst, und während noch unklar ist, wessen Verbündete und wessen Gegnerin sie sein wird, radikalisieren sich die Verhältnisse.

Der Umgang miteinander wird lauter, hysterischer, bedrohlicher. Bald heißt es nicht mehr “Wer mit wem?” sondern “Jeder gegen jeden”. Es regieren Lug und Trug, Verführung und Erpressung. Und bald gibt es die ersten Toten. Dass das lebenslustige, doch herzleidende Onkelchen (Peter Knaack), das sein Geld aus der angeschlagenen Fabrik abziehen wollte, unter den ersten Opfern ist, verdankt sich einer Intrige, die an Abgefeimtheit nur noch von der trocken bekannt gegebenen Enterbung der Söhne übertroffen wird.

FOTOPROBE BURGTHEATER:
FOTOPROBE BURGTHEATER: "WASSA SCHELESNOWA"

Selbst der treu ergebene Verwalter (Dietmar König als Ritter von der tragischen Gestalt) muss am Ende abrutschen. Neben Wassa halten sich nur noch drei Frauen in der steilen Wand. Der Regisseur und der Bühnenbildner sind die einzigen Männer, die an diesem Abend nicht abgeworfen werden. Sie haben viel riskiert. Und einen glänzenden Gipfelsieg nach Hause gebracht.

  • “Wassa Schelesnowa” von Maxim Gorki, Deutsch von Andrea Clemen, Regie: Andreas Kriegenburg, Bühne: Harald B. Thor, Kostüme: Andrea Schraad, Mit Alina Fritsch, Frida-Lovisa Hamann, Sabine Haupt, Tino Hillebrand, Peter Knaack, Dietmar König, Christiane von Poelnitz, Aenne Schwarz, Martin Vischer, Andrea Wenzl, Burgtheater, Nächste Vorstellungen: 24., 27., 30. Oktober, 2., 5., 13., 15., 29. November, Karten: 01 / 513 1 513

(APA)

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