AA

Wahrscheinlichkeit für FPÖ-ÖVP-Koalition hoch

Politik-Experten sehen Koalition Kickl (FPÖ) Stocker (ÖVP) wahrscheinlich, "aber noch nicht ausgemacht".
Politik-Experten sehen Koalition Kickl (FPÖ) Stocker (ÖVP) wahrscheinlich, "aber noch nicht ausgemacht". ©APA, APA/AFP
Meinungsforscher Peter Hajek und Politberater Thomas Hofer halten die Wahrscheinlichkeit für eine Koalition zwischen FPÖ und ÖVP nach der Beauftragung von FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung für hoch.

Allerdings sei die Sache angesichts zahlreicher Knackpunkte "noch nicht ausgemacht", wie Hajek gegenüber der APA sagte. Die FPÖ sieht er jedenfalls in der klar stärkeren Position. Die ÖVP müsse sich hingegen die Frage stellen: "Wie weit verbiegen wir uns noch?"

Hajek sieht in den nun wohl anstehenden Regierungsverhandlungen - sofern die FPÖ sich auf solche tatsächlich einlässt - sowohl für FPÖ als auch ÖVP eine "Nagelprobe", die es zu bestehen gilt. Die Freiheitlichen müssten den Wechsel von der fundamentalen Opposition zur staatstragenden Regierungspartei schaffen, "die bereit ist, ein aus dem Ruder gelaufenes Budget auch nachhaltig zu sanieren". Genau hier sieht Hajek einen Streitpunkt, denn er gehe davon aus, dass die FPÖ die Budgetsanierung über einen längeren Zeitraum strecken würde - anders als die ÖVP.

Analyse über Flexibilität in der Politik

Blau nicht rigide beim Sparen

Es sei nicht zu erwarten, dass die FPÖ einen rigiden Sparkurs fahren möchte, denn die Blauen hätten in ihrer Wählerschaft "schon Menschen, für die die aktuelle finanzielle Situation ihrer Haushalte eine Herausforderung darstellt - und auf die werden sie Rücksicht nehmen". Insofern werde die Partei in manchen Punkten "eine ähnliche Haltung wie die Sozialdemokraten haben".

Für die ÖVP werde der Umgang mit den FPÖ-Positionen zu Medienpolitik, Europafragen und der Außenpolitik zur Nagelprobe, so Hajek. Es stelle sich die Frage, wie weit die ÖVP der FPÖ beim geplanten Raketenschutzschirm Skyshield, den die Freiheitlichen strikt ablehnen, entgegenkommt. Auch das Verhältnis zu Russland und die Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine werde Thema sein, ebenso das Verhältnis zum ungarischen Staatschef Viktor Orban. Auch die künftige Auslegung der Neutralität sieht Hajek als Knackpunkt.

Auch Hofer verwies auf diese kritischen Themenfelder. Er könnte sich hier vorstellen, dass man dabei einen gewissen Spielraum lässt und man die entsprechenden Kapitel in einer Regierungsvereinbarung so formuliert, "dass beide damit leben können". Kickl als Kanzler und ein allfälliger ÖVP-Außenminister könnten auch "unterschiedliche Stimmen in Europa bringen". Freilich würde es hier in einer künftigen blau-türkisen Regierung Konfliktpotenzial geben. Beim Thema Skyshield könnte sich Thomas Hofer vorstellen, dass die Finanzierungsfrage ein "Ausgang" (für die ÖVP, Anm.) sein könnte.

Kickl und Stocker: Gemeinsamkeiten und Konfliktpunkte

Abschaffung Klimabonus

Beim Budget gehe es laut Hajek auch um das drohende EU-Defizitverfahren, das ja die ÖVP verhindern möchte. Sollte die FPÖ die Budgetsanierung strecken wollen, dann werde man ein solches Verfahren in Kauf nehmen müssen. Andere Punkte seien einfach zu lösen, etwa die Frage der Abschaffung des Klimabonus oder ähnliche mögliche Reformen. "Insofern ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass man sich einigt, aber es ist nicht ausgemacht", so Hajek.

Für die FPÖ wäre ein Scheitern von Regierungsverhandlungen aus Sicht des Meinungsforschers jedenfalls das geringere Problem als für die ÖVP. "Die FPÖ kommt aus der Position der Stärke", verwies Hajek auf das gute Wahlergebnis und auch den laufenden Wählerzuspruch in den Umfragen. Sollte die ÖVP entscheidende Punkte ablehnen, könnte die FPÖ bei einem Scheitern von Verhandlungen darauf verweisen. Dies wäre zwar nicht angenehm für die FPÖ, "aber sie werden in Massen nicht Wähler dadurch verlieren, wenn sie sagen, 'es geht nicht'".

Die Volkspartei müsse sich hingegen langsam die Frage stellen: "Wie weit verbiegen wir uns noch?", so Hajek. Denn man habe ja bereits mit dem Ja zu einer Koalition unter Kickl bereits eine "Kehrtwende hingelegt". "Insbesondere mit der Person (des neuen ÖVP-Chefs Christian, Anm.) Stocker ist das auch bildlich dargestellt, man hat dem Ganzen ein Gesicht gegeben."

ÖVP ohne weitere Option

Auch Hofer verwies auf die starke Position der FPÖ: "Es ist eine sehr gute Ausgangsposition, weil die ÖVP hat keine anderen Optionen mehr. Das wäre anders gewesen bei einem sofortigen Verhandeln", hätte die ÖVP noch die Dreierkoalition mit SPÖ und NEOS in der Hinterhand gehabt. Der Politikberater geht davon aus, dass die FPÖ allfällige Koalitionsverhandlungen "sehr zügig" angehen werde. Parteichef Herbert Kickl lege auf Symbolpolitik viel Wert und werde vermutlich versuchen, sich auch in der Geschwindigkeit von den Mitbewerbern abzuheben. Freilich ist auch für Hofer die Sache noch nicht fix: "Eine Neuwahl ist nicht komplett auszuschließen", sagte auch er.

Dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen nun trotz seiner stets geäußerten Bedenken Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt hat, ist für die Experten den Umständen geschuldet: "Er hat sich innerhalb des doch engen Korsetts, in dem sich ein Bundespräsident befindet doch recht flexibel gezeigt in den letzten Wochen und Monaten, aber am Schluss doch anerkennen müssen, dass - wenn er nicht das Chaos prolongieren möchte - er jetzt den nächsten logischen Schritt setzen muss", so Hajek. Freilich mit dem Zusatz, dass etwa freie Medien sehr wichtig seien und dem Hinweis, dass er sich diesen Schritt wirklich gut überlegt hat. "Er hat das Unvermeidliche akzeptiert und gemacht", sagte dazu auch Hofer.

Innenpolitik im Liveblog

(APA)

  • VOL.AT
  • Politik
  • Wahrscheinlichkeit für FPÖ-ÖVP-Koalition hoch