AA

Vorarlberger MSF-Arzt in Ostukraine: "Noch nie so viele Amputierte gesehen"

Vorarlberger Chirurg: Teils müssen Wunden mit Angelschnüren genäht werden.
Vorarlberger Chirurg: Teils müssen Wunden mit Angelschnüren genäht werden. ©AP, Ärzte ohne Grenzen
Der Vorarlberger Chirurg Michael Rösch hat in seinem Leben noch nie so viele amputierte Menschen gesehen wie in der ostukrainischen Stadt Horliwka (Gorlowka). Rösch ist seit einer Woche für "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) in der Rebellenhochburg tätig, wo täglich Dutzende Opfer von Granatbeschuss behandelt werden. Wunden müssten wegen des Versorgungsengpasses mit Angelschnüren genäht werden.
Aktuelle Bilder aus Horliwka
MSF: Hier können Sie helfen

Die Spitäler der Stadt seien “überwältigt” von der hohen Anzahl an Verwundeten, schreibt Rösch in einem von MSF übermittelten Bericht. In dem Krankenhaus, in dem er tätig sei, sei aus Sicherheitsgründen nur ein Operationssaal in Betrieb. Täglich würden fünf bis 20 Granatopfer eingeliefert. Es fehle an medizinischen Vorräten, und für drei Tage sei sogar die Wasserversorgung unterbrochen gewesen. Bis auf die dringendsten Fälle habe man alle Operationen absagen müssen. “Ohne Wasser kann man nämlich nichts sterilisieren.”

Wunden werden mit Angelschnüren genäht

“Ärzte in anderen Spitälern haben uns erzählt, dass es keine Nähte mehr gibt und die Chirurgen die Menschen mit Angelschnüren zunähen”, berichtet Rösch. Es mangle an verschiedensten Medikamenten, und die Zahl von Durchfallerkrankungen nehme wegen der Verunreinigung des Wassers zu. “Ich bin Chirurg, aber ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele amputierte Menschen gesehen. Die Menschen gehen einkaufen – und eine Stunde später haben sie keine Beine mehr.”

ohnegrenzen

“Menschen werden auf offener Straße getroffen”

Die Industriestadt wirke wie eine Geisterstadt, man sehe kaum Menschen auf den Straßen, schildert der MSF-Mitarbeiter. “Wenn die Menschen raus müssen, gehen sie sehr schnell. Niemand bleibt stehen, außer, wenn man auf den Bus wartet.” Alle ein bis zwei Stunden werde ein Gebäude irgendwo in der Stadt von einer Granate getroffen. “Die meisten Menschen werden auf offener Straße getroffen.”

MSF als einzige internationale Organisation in Horliwka

Die Menschen seien “sehr tapfer, sehr ruhig und kontrolliert”, so Rösch. “Aber man kann spüren, dass sie innerlich sehr nahe an der Verzweiflung sind. Sie fühlen sich von der Außenwelt im Stich gelassen.” MSF sei nämlich die einzige internationale Organisation, die in der von den pro-russischen Separatisten kontrollierten Stadt aktiv sei. Die Bewohner von Horliwka “warten verzweifelt auf ein Zeichen von der Außenwelt, dass man sie nicht vergessen hat”.

(APA)

Horliwka: Journalist sucht Deckung vor Bomben

  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Vorarlberger MSF-Arzt in Ostukraine: "Noch nie so viele Amputierte gesehen"