Niklas Ritter bastelte aus der Filmvorlage von Rainer Werner Fassbinder und dem Roman “Simulacron” von Daniel F. Galouye eine beeindruckende Bühnenversion. Die spannende Geschichte und das entfesselte Schauspielensemble waren die Zutaten zu einer glanzvollen Premiere, die das Publikum begeisterte.Das Stück dreht sich um Fred Stiller, der gerade Technischer Direktor des Instituts für Kybernetik und Zukunftsforschung geworden ist. Das Schicksal seines Vorgängers ist unklar. Das Institut hat 60.000 Identitätseinheiten kreiert und simuliert damit die Welt. Im Laufe der Geschichte wird immer unklarer, zu wessen Wohl das geschieht. Außerdem verschwimmen die Grenzen zwischen digitaler und realer Welt, bis man gar nicht mehr weiß, was real ist und was nicht. Wer lenkt das eigentlich? Schützt das Programm wirklich vor Terror? Das Stück wird zum Krimi und holt aktuelle Entwicklungen auf die Bühne. Der Mensch im Internet interessiert nicht – sondern nur mehr, was er tut und was er kauft.
Leben in einer künstlichen Welt
In der Inszenierung von Niklas Rotter ist in dem Leben in einer künstlichen Welt nichts, wie es scheint. Die Bühne ist bis auf einige abseits liegende Musikinstrumente leer. Das musikalische Zepter an diesem Abend schwingt Jan Kersjes, er tut dies souverän und mit einer enormen Breite. Die Untermalung gibt den Szenen Stimmung und Rhythmus, aber vor allem liefert Kersjes mehrere Songs, die sogar für Szenenapplaus sorgten.
Die Schauspieler schaffen sich pantomimisch ihre Umwelt und die Gegenstände, die sie benutzen. Die Geräusche dazu kommen jeweils von den Kollegen. Zum Beispiel das Einschenken eines Getränks, das Trinken, das Schlucken, das Abstellen, das Fallenlassen oder das Weggehen. Viel Liebe und Begeisterung steckt in diesen kleinen, oftmals komischen Spielsequenzen. Einer der Gründe, warum das Zuschauen und Zuhören bei dieser Produktion enorm viel Spaß macht.
Das ganze Ensemble mit Nicolas Garin, Stefan Hartmann, Luzian Hirzel, Jan Kersjes und Katharina Uhland zeigte sich in ansteckender Spiellaune. Witzig, bestimmend, herrisch, flirtend – die fünf Darsteller müssen in über zwanzig Rollen schlüpfen. Daneben glänzten die beiden Hauptdarsteller. Felix Defer gab einen kämpfenden, zweifelnden Fred Stiller, hin- und hergerissen, auf der Suche nach der Wahrheit, seiner eigenen Naivität und seinen Gefühlen. Seine kraftvolle und überzeugende Darstellung und die aufreibende Arbeit waren ihm nach über zwei Stunden auch anzusehen. Johannes Frick schlüpfte in die Rolle der Eva Vollmer und glänzte nicht nur mit wunderbaren Gesangseinlagen.
Zu den Themen von Rainer Werner Fassbinder gehören Identität und Freiheit des Einzelnen und der Gesellschaft. Als Fernsehzweiteiler wurde “Welt am Draht” 1973 erstausgestrahlt. 45 Jahre später diente es gemeinsam mit dem Roman “Simulacron” von Daniel F. Galouye als Vorlage für dieses bemerkenswert vielschichtige und spannende Theaterstück. Mit Unterstützung von Dramaturg Ralph Blase gelang ein wunderbares Beispiel für junges, mutiges und modernes Theaterschaffen, in dem auch der Witz nicht zu kurz kommt. Zu Recht wurde die Inszenierung von Niklas Ritter vom Premierenpublikum gefeiert und mit viel Lob bedacht.
(APA)
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