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Vor zehn Jahren starb Schubhäftling Marcus Omofuma

Vor zehn Jahren, am 1. Mai 1999, ist der 25-jährige Nigerianer Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung im Flugzeug nach Sofia gestorben. Die drei begleitenden Fremdenpolizisten hatten ihn laut Zeugen in der Maschine gefesselt und geknebelt.

Das Gericht in Korneuburg stellte in seinem Urteil knapp drei Jahre nach dem Tod Omofumas fest, dass er erstickt sei, und verurteilte die Beamten wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Umständen zu je acht Monaten bedingter Haft.

Der Fall sorgte für hohe Wellen sowie beinahe endlose Gerichtsverfahren und führte unter anderem zur Gründung des Menschenrechtsbeirats. Während bulgarische Gutachter von Haus aus den Beamten eine ursächliche Rolle beim Tod Omofumas zusprachen, stellte sich der damalige SPÖ-Innenminister Karl Schlögl weitgehend vorbehaltlos hinter die drei Beamten. Ein Umstand, den der Rechtsvertreter der Verwandten Omofumas, Georg Zanger, heute noch nicht versteht: “Das war ein Verhalten, wie man es vielleicht von einem FPÖ-Innenminister erwartet hätte”, sagte der Advokat im Gespräch mit der APA.

Der Fall wurde letztendlich ein Streit der Gutachter: In einer ersten bulgarischen Expertise kurz nach dem Vorfall war bereits von Erstickungstod die Rede. Diese wurde später in Sofia auch bestätigt. Ein Gutachten des Wiener Gerichtsmediziners Christian Reiter hingegen sprach von mehreren möglichen Todesursachen und davon, dass Omofuma herzkrank gewesen sei. So gab ein dritter Sachverständiger, der deutsche Gerichtsmediziner Bernd Brinkmann, den Ausschlag. Dieser widersprach Reiter: Das Herz sei mit Sicherheit nicht krank gewesen, es gebe etliche Befunde, die für einen Erstickungstod sprechen würden.

Im April 2002 wurden die Fremdenpolizisten zu je acht Monaten bedingt verurteilt. Das angeklagte Quälen eines Gefangenen mit Todesfolge sah das Gericht nicht mit der für einen Schuldspruch nötigen Sicherheit als erwiesen an, eine vom Staatsanwalt anfänglich angekündigte Berufung gab es nicht. Zwei der drei Beamten befinden sich nach wie vor im Dienst, haben aber laut Bundespolizeidirektion nichts mehr mit Abschiebungen zu tun. Der Dritte ist im Ruhestand.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Umstände – die Divergenz in den Aussagen von Zeugen und Beamten oder der Gutachterstreit zum Beispiel – gab es von Anfang an großes Aufsehen um den Fall. Grüne und Liberale forderten den Rücktritt Schlögls, die Abschiebepraxis geriet in heftige Diskussion und wurde letztendlich auch geändert. Zanger: “Diese Abschiebungen gibt es nicht mehr.” Ansonsten habe sich wenig geändert. Die Black Community veranstaltete Mahnwachen vor dem Innenministerium.

Wenige Wochen nach dem Fall Omofuma gab es die “Operation Spring”, eine Polizeiaktion gegen mutmaßliche Dealer aus Nigeria und anderen afrikanischen Staaten, bei der die Ermittler unter anderem den großen Lauschangriff einsetzten. Die Exekutive sprach zunächst von einem großen Erfolg. NGOs und Black Community sahen hingegen eher eine Entlastungsoffensive nach dem Fall Omofuma, um Afrikaner in Österreich zu kriminalisieren. In der gerichtlichen Aufarbeitung der Operation kam es ebenfalls zu Diskussionen, weil anonyme Zeugen, mit Helmen getarnt, aussagten.

Das Verhältnis zwischen Polizei und Menschen dunkler Hautfarbe ist auch nach Omofuma ein schwieriges geblieben. Jüngstes Beispiel ist der Fall des US-Sportlehrers Mike Brennan, der in einer Wiener U-Bahnstation bei einer Polizei-Amtshandlung im Zuge einer Verwechslung mit einem mutmaßlichen Drogendealer verletzt wurde. Die Aufarbeitung dieses Falles vom Februar 2009 steht noch aus. Zuvor war der Gambier Bakary J. von Polizisten im April 2006 misshandelt worden, nachdem er sich gegen seine Abschiebung gewehrt hatte. Im Juli 2003 war der Mauretanier Cheibani Wague im Stadtpark bei einer Amtshandlung gestorben. Ein Polizist, der sich mit seinem Körpergewicht auf Wague gekniet hatte, und ein Notarzt wurden verurteilt, weitere Beamte und Sanitäter freigesprochen.

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