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Von Körpern und Bauten: MUMOK dokumentiert 68er-Utopien

Einen "lange gehegten Wunsch" erfüllte sich MUMOK-Direktor Edelbert Köb mit der Ausstellung "Mind Expanders", die ab 25.07.2008 bis zum 30. August auf zwei Ebenen des Hauses zu sehen ist.

“Zeitgenosse und Zeitzeuge” sei er gewesen, jener 68er-Rebellen, die in Kunst und Architektur radikale Wege beschritten, neue Medien zu Trägern ihrer Ideen erklärten und damit aus den Museumsmauern in den oft hitzigen öffentlichen Diskurs stürmten. In dieser Dokumentation, die österreichische Phänomene in ihren zeitlichen und internationalen Kontext einordnen, sind die wilden Straßenkämpfer nun ins Museum zurückgekehrt.

Ursprünglich hätte es eine Schau ausschließlich aus den eigenen Beständen der Sammlung werden sollen, viele Exponate seien schließlich “seit Urzeiten nicht mehr gezeigt worden”, so Köb. Doch schließlich ließ man sich um etwa hundert Leihgaben, viele davon aus der Generali Foundation, bereichern, um ein Who is Who des Wiener Aktionismus, der Wiener Gruppe, der Wiener Underground-Filmszene zusammenzustellen.

Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler, VALIE EXPORT, Bruno Gironcoli, Maria Lassnig, Arnulf Rainer müssen sich die Einordnung ihres Werks in einen ungeheuer dichten Überblick über die Neubewertung des menschlichen Körpers gefallen lassen. Yayoi Kusama, Marina Abramovich und Gina Pane lösen den Lokalkolorit daneben spielend auf. Der Körper als “Schnittstelle zwischen Privatem und Öffentlichem”, wie Kurator Rainer Fuchs erörterte, als Medium des Widerstandes gegen die Gesellschaft, wurde nicht nur in Wien neu definiert. Doch hier haben die menschlichen Vierbeiner (Peter Weibel) oder die wandernden Farbteufel (Günter Brus) einen gewissen heimischen Charme.

Die Beweisführung, dass in Österreich etwas in der Luft lag, die Utopie einer neuen geistigen Ordnung, wird auf einer zweiten Ebene des Hauses mit einem Schwerpunkt auf die Architektur um ’68 fortgesetzt. Erste Gruppen schlossen sich zusammen, Verbindungen zum Aktionismus öffneten andere Perspektiven, das Interesse an einer skulpturalen Architektur überstülpte traditionelles Formen- und Funktionsbewusstsein. Hundertwasser schrieb ein “Verschimmelungsmanifest”, Arnulf Rainer und Markus Prachensky plädierten für eine Architektur des Einzelnen, Hans Hollein und Walter Pichler schufen aufblasbare Gebäude und überschrieben sie mit dem Diktum “Alle sind Architekten. Alles ist Architektur.”

Auch hier zeigt die Ausstellung nicht nur Werke, Modelle, Skizzen und Design, sondern dokumentiert die Sozialisation dieser neuen Ideale. Filme wie “Schöner Wohnen” der Gruppe Zünd-Up erwecken nicht nur 70er-Nostalgie, sondern führen vor, wo das Ineinandergreifen der Disziplinen, der Medien und des künstlerischen Interesses mit einem forschen Selbstbewusstsein seinen Anfang nahm, wollen in ihrer Dichte, 40 Jahre später, inhaltliche und formale Kontinuität einer notwendigen historischen Entwicklung zusammenfinden lassen. Dass das auch für die ausgestellten Künstler ein Widerspruch in sich sein könnte, ließ Köb bei der heutigen Pressekonferenz ein wenig anklingen.

Vom MUMOK und seiner “sensiblen Art der Ausstellung” begeistert zeigte sich der junge amerikanische Künstler Josh Smith, der in der Factory bis zum 21. September 116 Ölbilder unter dem Titel “Hidden Darts” zeigt. Sein Spielchen mit den unverkennbaren Positionen moderner Malerei, allen voran der Pop-Art und dem Expressionismus, aber auch mit seinen eigenen bisherigen Werken erschafft eine Art Super-Collage, die den gesamten Raum einnimmt. Und die Aufmerksamkeit heillos überflutet. Eng und mehrreihig hat er seine Kunstwelten über- und nebeneinander positioniert. Hat die Arbeiten in den vergangenen drei Jahren speziell für diesen Raum, für dieses Museum geschaffen. “Ich hatte den Rundgang, den ich hier 2001 gemacht habe, immer im Kopf”, sagt Smith. Und so ist tatsächlich wieder ein Rundgang daraus geworden – ein Rundgang auf einen Blick.

“Mind Expanders” von 25. 7. bis 30. 8. und “Josh Smith”, von 25. 7. bis 21. 9., Mo bis So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr, www.mumok.at

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