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Vom Kieskahn zur Seebühne: 70 Jahre Bregenzer Festspiele

Zum 70-jährigen Jubiläum der Bregenzer Festspiele wird am 19. Juli im Gondelhafen "Bastien und Bastienne", ein Stück, das schon bei der ersten Festwoche 1946 aufgeführt wurde, bei freiem Eintritt gespeilt.
Zum 70-jährigen Jubiläum der Bregenzer Festspiele wird am 19. Juli im Gondelhafen "Bastien und Bastienne", ein Stück, das schon bei der ersten Festwoche 1946 aufgeführt wurde, bei freiem Eintritt gespeilt. ©VN/Philipp Steurer
Mit einem Mozart-Abend am 5. August 1946 wurde das Spiel auf dem See - damals noch im Rahmen einer Festwoche - in Bregenz aus der Taufe gehoben. Die Bregenzer Festspiele waren geboren. Gezeigt wurde unter anderem das Singspiel "Bastien und Bastienne" - auf zwei Kieskähnen auf dem Bodensee. 70 Jahre danach zählt das Festival zu den bekanntesten Europas und lockt jährlich tausende Menschen nach Vorarlberg.

Der Zweite Weltkrieg war gerade einmal seit einem Jahr beendet, Bregenz noch zu einem großen Teil zerstört und zahlreiche Familien obdachlos, als die erste “Bregenzer Festwoche” begann. Dementsprechend schwierig war es, die Veranstaltungen zu organisieren, zu denen auch sportliche Events zählten, zumal die Stadtvertretung erst im Juni 1946 dem Vorhaben zugestimmt hatte.

Kostengünstige Spielstätte gesucht

In den sechs Wochen Vorbereitungszeit wurde viel improvisiert: Es fehlten Quartiere für die Künstler und Sportler, viele kamen bei Bauern in der Umgebung unter. Technische Geräte erhielt man im Austausch gegen Lebensmittel von den Wiener Bundestheatern. Als kostengünstige Spielstätte für das erste Spiel auf dem See wählte man erst im Juli zwei Kieskähne im Gondelhafen. Einer sollte bespielt werden, auf dem anderen saßen die Musiker des Vorarlberger Rundfunkorchesters. Über Zeitungsannoncen wurde die Bevölkerung um Unterstützung gebeten, sie sollte sich als ehrenamtliche Helfer zur Verfügung stellen, die Gehsteige reinigen und ihre Häuser beflaggen, um die Gäste willkommen zu heißen, die vor allem aus der Schweiz zahlreich in die Vorarlberger Hauptstadt strömten.

420 Künstler und 280 Sportler

“Tag und Nacht haben wir gearbeitet”, erinnert sich die heute 95-jährige gebürtige Wienerin Maria Wanda Milliore, die 1946 das Bühnenbild für “Bastien und Bastienne” gestaltete und auch die Kostüme für das Singspiel im Gondelhafen entwarf. Neben dem Mozart-Abend fanden von 4. bis 11. August 1946 Sportveranstaltungen, Lesungen, ein Gastspiel der Vorarlberger Landesbühne und ein “Promenadenkonzert” des Vorarlberger Rundfunkorchesters statt. Den Höhepunkt bildeten aber zwei Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker, die sich im Nachhinein vor allem für die gute Verpflegung vor Ort schriftlich bedankten. Über 420 Künstler – darunter Else Böttcher und Sebastian Hauser, die Bastien und Bastienne verkörperten – und 280 Sportler wirkten an der ersten Festwoche mit, die in Abgrenzung zu den Salzburger und Bayreuther Festspielen absichtlich so benannt war.

Betätigung für geflohene Künstler

Die mühevolle Arbeit der Veranstalter lohnte sich. Die Woche wurde ein voller Erfolg, nicht zuletzt auch dank der französischen Besatzungsbehörden und des Kantons St. Gallen, die das Vorhaben unterstützten und einer Grenzöffnung zustimmten. Insgesamt kamen 25.500 Besucher nach Bregenz, 22.400 allein aus der Schweiz. Der Reingewinn der Festwoche betrug 4.000 Schilling.

Einen einzigen Gründer der Bregenzer Festspiele sucht indes man vergeblich. Verschiedene Gruppen verfolgten mit der Festspiel-Idee unterschiedliche Ziele: Der Bregenzer Stadtrat Alois Salzmann wollte den Tourismus ankurbeln, Landeskulturreferent Eugen Leissing wollte etwas Erbauliches, um die Bevölkerung von ihren Sorgen abzulenken. Der Wiener Kurt Kaiser wiederum, der die neu gegründete Vorarlberger Landesbühne leitete, suchte nach Arbeit für die vielen Künstler und Kulturschaffenden, die 1945 vor den Russen aus Ostösterreich nach Vorarlberg geflohen waren.

1972: Zwei Produktionen auf der Seebühne

Fest steht jedoch, dass mit der ersten Bregenzer Festwoche die Erfolgsgeschichte der Bregenzer Festspiele begann. Seit ihren Anfangstagen sind sie kontinuierlich gewachsen, das Programm erfuhr im Laufe der Jahre eine deutliche Ausweitung. So wurden etwa ab 1962 auch Kammermusikkonzerte und Haydn-Opern im Renaissancepalast in Hohenems angeboten, 1972 kamen Theater-Vorführungen unter freiem Himmel dazu. 1972 war auch das einzige Jahr, in dem auf der Seebühne gleich zwei verschiedene Musiktheaterproduktionen zur Aufführung gelangten (“Der Bettelstudent” und “Die Feenkönigin”), seit 1985 wird das Spiel auf dem See jeweils zwei Sommer lang gespielt, seit 1988 auch eine “Hausoper” inszeniert. 2001 wurde die zeitgenössische Schiene “Kunst aus der Zeit” eingeführt, mit dem Wechsel der Intendanz von David Pountney zu Elisabeth Sobotka 2015 aber wieder aufgegeben.

Rekord: 263.000 Besucher 2014

Der größte infrastrukturelle Meilenstein waren 1979 die neue Seebühne und der Bau des Festspiel- und Kongresshauses mit seiner Eröffnung im Jahr 1980, das 1996/97 auf die doppelte Kubatur vergrößert und 2005/06 für 38,5 Mio. Euro generalsaniert wurde. Bereits 1998 war die Zuschauerkapazität auf der Seebühne von 4.600 auf 6.800 Sitze ausgebaut worden. Festspielhaus, Werkstattbühne und Seebühne bieten damit heute insgesamt knapp 10.500 Kulturbegeisterten Platz. Der Besucherrekord der Festspiele wurde 2014 im letzten Jahr von Pountney erreicht (Spiel auf dem See: “Die Zauberflöte”), als rund 263.000 Gäste den Verantwortlichen eine Gesamtauslastung von 99 Prozent bescherten.

Bühnenbild als James-Bond-Kulisse

Speziell seit Ende der 1980er Jahre machten sich die Bregenzer Festspiele mit ihren Kulissen auf der Seebühne einen Namen. Bis heute unvergessen ist das überdimensional große Skelett von “Ein Maskenball” (1999/2000), aber auch schon zuvor feierten die Festspiele mit Produktionen wie “Nabucco” (1993/94) oder “Fidelio” (1995/96) so große Publikumserfolge, dass letztlich der Ausbau der Zuschauertribüne unausweichlich wurde. Die Bregenzer Bühnenbilder stießen auch außerhalb der Opernwelt auf große Resonanz: So wurden etwa 2008 Teile des James Bond-Streifens “Quantum of Solace” in der “Tosca”-Kulisse auf der Seebühne abgedreht.

Ein Viertel der Gäste aus Österreich

Organisiert sind die Bregenzer Festspiele als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Bregenzer Festspiele Privatstiftung als Gesellschafter. Als Festspiel-Präsident ist Hans-Peter Metzler seit 2012 im Amt. Das Jahresbudget beläuft sich auf etwa 20 Mio. Euro, 6,94 Mio. Euro davon sind Subventionsgelder. Der Hauptanteil der Besucher, nämlich zuletzt 62 Prozent, kommt aus Deutschland, etwa jeder vierte Festival-Gast ist Österreicher.

Einen Tiefpunkt erlebten die Bregenzer Festspiele in den 1990er-Jahren, als ein Mitarbeiter seine Vertrauensposition ausnutzte und seine Arbeitgeberin um rund eine Million Euro betrog. Der damals 45-jährige Mann machte sich mit dem Geld aus dem Staub und blieb bis heute verschwunden. Bereits 1982 war nach einem kritischen Rechnungshofbericht samt des Vorwurfs von Misswirtschaft die Funktion eines kaufmännischen Direktors eingeführt worden, der dem Intendanten gleichgestellt ist.

“Bastien und Bastienne” am 19. Juli

In Erinnerung an die erste See-Aufführung 1946 bringen die Bregenzer Festspiele am 19. Juli, dem Vorabend der Eröffnung, im Gondelhafen Mozarts Jugendwerk “Bastien und Bastienne” bei freiem Eintritt erneut zur Aufführung. Dem Thema 70 Jahre Bregenzer Festspiele ist auch eine Sonderausstellung im vorarlberg museum (14. Juli bis 11. September) gewidmet. Dazu gibt es die Jubiläums-Broschüre “Vom Kieskahn zur Opernbühne im See”, die auf 76 Seiten allerhand Wissenswertes sowie Anekdoten aus den Anfangszeiten des Festivals zu berichten weiß.

(APA)

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