Volkstheater in den Bezirken will Netz über Stadt spannen

Partizipation soll Realität werden
"Das Kernangebot von vier Premieren und einem Kinder- und Familienstück bleibt erhalten", erläutert Engelmayer, die als Leitende Dramaturgin vom Landestheater Niederösterreich nach Wien gewechselt ist. "Wir sind als Team angetreten, um Formate anzubieten, die sich mit den Stücken in den Bezirken verbinden, aber auch unabhängig davon funktionieren." Den beiden geht es darum, dass das Publikum nicht nur zu den Vorstellungen kommt, sondern man will ihm auch Gehör auf den Bühnen geben. "Wir wollen Partizipation wirklich Realität werden lassen", unterstreicht Sczilinski, die zuletzt die Künstlerische Leitung des Burgtheaterstudios inne hatte und am Volkstheater auch das Outreach-Programm verantwortet.
Eines der neuen Projekte nennt sich "Stadt-Stimmen": Dabei werden zunächst in drei Bezirken Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Seniorinnen und Senioren unter der Anleitung der beiden Autor:innen Leo Lorena Wyss und Thomas Perle, die beide mit einem Nestroy-Preis ausgezeichnet wurden, an eigenen Texten arbeiten. "Sie werden gemeinsam ihr Grätzl erforschen, um ihre Perspektive auf die Stadt zu erkunden. So sollen persönliche, politische oder poetische Texte entstehen, die am Ende sowohl in den Bezirksspielstätten als auch in den beteiligten Institutionen aufgeführt werden", so Sczilinski.
"Wir wollen ein Netz über die Stadt spannen"
Mit den beteiligten Schulen und Seniorenheimen wolle man langfristig "ein Netz über die Stadt spannen". Am Ende soll aus allen Themen und Texten ein "Gesamtabend" entstehen, der mit Schauspielerinnen und Schauspielern aus dem Volkstheaterensemble in der Roten Bar zur Aufführung kommt. Apropos Ensemble: Das Bezirkspublikum soll künftig mehr Spielende aus dem Haus zu sehen bekommen, die Anzahl der Gäste wird eingeschränkt. "Man verliebt sich gerne in Schauspieler:innen. Und wir hoffen, dass diese Liebe das Publikum aus den Bezirken auch ins Haupthaus bringen wird."
Im Rahmen von groß angelegten Grätzl-Festen will man sich zusätzlich mit Menschen und Initiativen vor Ort nachhaltig verbinden. "Unser Anspruch und Konzept ist es, sich mit Kräften und Ressourcen zu vernetzen, die sich auch ehrenamtlich engagieren." Das erste Event findet am 5. Oktober in der Seestadt statt, wo man unter anderen mit dem Seestadt-Chor, Wien Extra und dem Urban Gardening-Verein "Ackerhelden" kooperiert. Im Zentrum stehen nachbarschaftliche Beziehungen rund um die Kulturgarage. Nach Workshops für alle, einer Lesung für Kinder und Familien, Konzerten und der Vorstellung von "Halbe Leben" wird im Anschluss eine "Ehrung des Ehrenamts" stattfinden, um die zivilgesellschaftlichen Initiativen im Grätzl vor den Vorhang zu holen.
Auftakt mit "Halbe Leben" am Freitag
In der Eröffnungsproduktion "Halbe Leben" spiegelt sich Care-Arbeit und Generationenübergreifendes als Themen wieder. Die aus der Slowakei stammende und in Österreich aufgewachsene Wiener Autorin Susanne Gregor stellt sich darin die Frage, wer sich in unserer Gesellschaft um Kinder und ältere Personen kümmert, Regie führt Milena Mönch. Das Besondere: Auf der Bühne steht auch ein Chor von Laien mit Menschen unter 12 und über 65 Jahren. Zusätzlich wird es auch slowakische Übertitel geben.
"Die Funktion von Theater als Treffpunkt und Begegnungsraum erfüllt sich in den Bezirken besonders stark", weiß Engelmayer. "Unser Anspruch ist es, resonant und dynamisch zu agieren." So wollen die beiden die gemachten Erfahrungen künftig weiter in den Spielplan einfließen lassen. "Wir haben mit den Bezirken ein großes, tolles Erbe und die Möglichkeit, zu den Menschen zu kommen. Dieses Publikum wollen wir übernehmen und dynamisch weiterentwickeln."
Ein besonderes Anliegen ist Sczilinski auch das Open House-Format "Stadt-Bühne" im Haupthaus des Volkstheaters, in dessen Rahmen Vereine und Initiativen ihre Arbeit in der Roten Bar zeigen werden. "Damit können sie den Spielplan aktiv mitgestalten."
Experten-Talks nach Vorstellungen
Damit aber nicht genug. Nach ausgewählten Vorstellungen in den Bezirken lädt man unter dem Titel "Perspektivwechsel" zu Diskussionen mit Expertinnen und Experten aus der Stadtgesellschaft, die das Thema des Stücks weiter vertiefen. So kommt etwa nicht nur eine Demografin zu Wort, sondern auch ein Experte aus der Männerberatung, der über das heutige Männerbild sprechen wird. Und wer einmal selbst auf der Bühne stehen will, klinkt sich im Format "Theater trifft Bezirke" ein, wo man das Theaterspielen auch selbst ausprobieren kann.
Zu den weiters geplanten Stücken zählen "Die Räuber" sehr frei nach Friedrich Schiller von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill in Kooperation mit dem Bronski & Grünberg Theater (Premiere: 28. November). "Die beiden sind absolute Humor-Expert:innen und großartige Handwerker ihres Faches", so Engelmayer. Es folgt Nick Hornbys "State of the Union" in der Regie von Gloger mit Johanna Wokalek (Premiere: 13. Februar) und die Uraufführung von "Das tragische Schicksal der Sonate Nr. 2" von Lina Majdalanie und Rabih Mroué in Kooperation mit den Wiener Festwochen (Premiere: 15. Mai). "Sowohl was die Auswahl der Stoffe, als auch der Regieführenden betrifft, bekennen wir uns zum Geschichtenerzählen", sagt Engelmayer. "Es geht in fast allen Produktionen um Geschichten aus der Gegenwart, dem Leben hier und jetzt in Wien, in Europa." Was alle Stücke verbindet, sei ein starker musikalischer Fokus, wie er auch im Haupthaus praktiziert werde.
Das alles klingt doch nach einer Budget-Erhöhung für die Bezirke? Doch das Duo winkt ab. Die zusätzlichen Projekte werden durch eine zusätzliche Unterstützung der AK Wien für Schul- und Outreachprojekte und hauptsächlich durch die stärkere Verzahnung mit dem Haupthaus möglich. So sind nicht nur beide Kuratorinnen der Bezirke auch anderweitig im Haus beschäftigt, auch Marketing und Kommunikation finden künftig direkt im Haus statt: "Wir sehen uns alle als Teil eines großen Hauses."
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - )
(APA)
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