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Volksschullehrerin: "Ein Pflichtjahr Deutsch ist viel zu wenig"

Volksschullehrerin Ilkay Idiskut fordert nun verstärkte Maßnahmen zur Sprachförderung bereits im Kindergarten und spricht sich gegen Sanktionen für Eltern aus.

In Wiener Volksschulen bleibt der Anteil jener Kinder hoch, die aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse als „außerordentlich“ gelten und dem Unterricht nicht folgen können. Wie kürzlich veröffentlichte Daten zeigen, betrifft dies 14,8 Prozent der Schüler, also 10.535 von insgesamt 71.097 Volksschülern. Der Lehrermangel und hohe Krankenstände verschärfen die Problematik in den Schulen zusätzlich.

Frühe Sprachförderung

Zur aktuellen Situation war die Wiener Volksschullehrerin Ilkay Idiskut zu Gast in der Nachrichtensendung „ZiB 2“, wo sie bei Moderatorin Margit Laufer über die Bedeutung der frühen Sprachförderung sprach. Bekannt geworden ist Idiskut durch den Dokumentarfilm „Favoriten“, der den Alltag in einer Wiener Brennpunktschule einfängt. In Idiskuts Klasse haben alle Kinder eine andere Muttersprache als Deutsch.

ZiB2-Video: Schüler: Deutschkenntnisse bei 15 Prozent mangelhaft

Frühe Sprachförderung als Schlüssel

Idiskut betonte die Notwendigkeit, mit der Sprachförderung möglichst früh zu beginnen, da ein Jahr Kindergarten oft nicht ausreiche, um Deutschkenntnisse aufzubauen. „Der Erwerb einer neuen Sprache kann bis zu zehn Jahre dauern“, so Idiskut, die auf Studien verweist. „Deshalb ist es wichtig, ganz früh anzusetzen, denn Kinder sind im jungen Alter enorm lernwillig und aufnahmefähig.“

Kinder wachsen oft in migrantischen Communitys auf

Die Lehrerin sieht die Herausforderung nicht nur in der Schule, sondern auch in den sprachlichen Lebenswelten der Schüler. Oft wachsen die Kinder in migrantischen Communitys auf, in denen sie ausschließlich ihre Muttersprache hören und sprechen. „Die Muttersprache liegt so nah am Herzen, dass sie bevorzugt wird“, erklärte Idiskut. Sie hält es für sinnvoll, in den Schulen verstärkt Klassen so zu mischen, dass Kinder mit verschiedenen Sprachkenntnissen voneinander profitieren können.

"Alle Eltern wollen, dass aus ihrem Kind etwas wird."

Forderung nach einem gemeinsamen Engagement der Eltern

Einen Vorschlag der FPÖ Wien, den Familien Sozialleistungen zu kürzen, falls ihre Kinder keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, lehnt Idiskut ab. Sie ist der Ansicht, dass Sanktionen Eltern und Kinder in schwierige Situationen bringen und das Armutsrisiko erhöhen würden. Stattdessen plädiert sie für eine stärkere Einbindung der Eltern. „Es wäre hilfreicher, die Eltern zu motivieren oder sie verstärkt in die Schule einzubinden, sodass ein echtes Miteinander entsteht“, betonte sie. Viele Eltern hätten jedoch Hemmungen, die Schulen zu besuchen. „Sie wollen nicht dorthin, wo sie sich nicht willkommen fühlen“, fügte Idiskut hinzu und regte an, eine offene und unterstützende Atmosphäre zu schaffen.

Von der neuen Bundesregierung wünscht sich Idiskut eine klare Priorisierung des Themas Bildung und eine gezielte Förderung, die die Integration und das Sprachenlernen in den Fokus stellt.

Film „Favoriten“ als Spiegel des Wiener Schulalltags

Das österreichische Bildungssystem steht besonders in Wien vor Herausforderungen: Lehrermangel, Sprachbarrieren und die Auswirkungen von Familiennachzug sind zentrale Themen. Diese Problematiken greift auch der preisgekrönte Dokumentarfilm „Favoriten“ der Regisseurin Ruth Beckermann - mit Volksschullehrerin Ilkay Idiskut - auf, der eine Klasse in einem Wiener „Brennpunkt“ über drei Jahre begleitet hat. Die Filmemacherin zeigt eindrucksvoll den Alltag von Kindern, die Deutsch als Fremdsprache erlernen müssen, und illustriert, wie eine engagierte Lehrerin das Beste aus der angespannten Situation macht.

Ruth Beckermann. ©ORF/Günther Pichlkostner

In Zeiten, in denen der 10. Wiener Bezirk Favoriten als „Problembezirk“ in den Medien präsentiert wird, setzt Beckermann auf eine sensible Darstellung der realen Herausforderungen. Mit ihrem einfühlsamen Blick zeigt sie, wie Kinder das Zusammensein und das Lernen trotz schwieriger Umstände erleben. (VOL.AT)

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