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Vogelgrippe: Albtraum der Experten

Bei einer Geflügelpest-Epidemie beschränkte sich der Schaden bisher auf den Verlust einiger Millionen Hühner. Künftig könnten im schlimmsten Fall unzählige Menschen der Krankheit erliegen.

In Vietnam kamen jetzt schon mindestens sechs Menschen ums Leben. Fachleute befürchten jetzt die Möglichkeit einer neuen tödlichen Grippe-Pandemie, also einer über weite Teile der Welt gleichzeitig auftretenden Epidemie.

Drei bis vier Mal pro Jahrhundert treten solche Grippewellen normalerweise auf. Die Spanische Grippe von 1918/19 kostete schätzungsweise 40 bis 50 Millionen Menschen das Leben. Dass irgendwann wieder eine Grippe-Pandemie die Welt überrollt, lässt sich nach Ansicht von Experten nicht vermeiden.

„Jeder stellt sich die Frage: Ist dies der Vorläufer einer Pandemie?“, sagt Gregory Poland, Leiter der Impfforschung an der Mayo-Klinik in Rochester in den USA, mit Blick auf die Vogelgrippe in Südost- und Ostasien. Das Horrorszenario, das Fachleute ausmalen, wäre ein großflächiges Übergreifen des Vogelvirus auf den Menschen – und eine Ansteckung von Mensch zu Mensch. Dafür gibt es bisher zwar keine Hinweise, ausgeschlossen ist es aber nicht.

Wenn sich der derzeit in Asien grassierende Geflügelpest-Erreger H5N1 an ein menschliches Virus ankoppelt, könnte er sich schnell und über alle Grenzen hinweg in der Bevölkerung ausbreiten. Diese Gefahr besteht, wenn sich ein an Grippe erkrankter Mensch zusätzlich mit dem tierischen Erreger infiziert.

Bei den bisher in Vietnam und Thailand erkrankten und verstorbenen Personen wurde eine genetische Vermischung der Viren nicht nachgewiesen. Zusammen mit der erschreckenden Mutationsfähigkeit des H5N1-Virus – einem von 15 bekannten Untertypen der Vogelgrippe-Erreger – wäre dies der Albtraum der Mediziner. „Extrem beängstigend“ nennt das Fachmagazin „The Lancet“ die Vorstellung.

„Wir machen uns vor allem deshalb Sorgen über die Vogelgrippe, weil sich ganz neue Pandemie-Erreger entwickeln können“, fasste Steve Ostroff vom amerikanischen Nationalen Zentrum für Infektionskrankheiten die Befürchtungen zusammen. Neben dem Wiederauftauchen eines längst ad acta gelegten Virenstammes, der schon einmal beim Menschen auftrat und gegen den das Immunsystem nicht mehr gewappnet ist, könnte eben auch ein für das menschliche Abwehrsystem unbekannter Erreger aus dem Tierreich eine neue Pandemie auslösen.

Je mehr Kontakt Menschen mit infizierten Vögeln haben, desto wahrscheinlicher schätzen die Experten das Auftauchen eines neuen tierisch-menschlichen Mutanten des H5N1-Erregers ein. In einem solchen Fall „müssen wir uns Sorgen machen, dass dies der Beginn der großen Pandemie sein könnte“, sagt Arnold Monto von der Universität Michigan.

Erstmals wurde ein Übergreifen des Geflügelpest-Erregers auf Menschen 1997 in Hongkong bekannt. 18 Personen erkrankten, sechs von ihnen starben. Dass die Geflügelpest sich damals nicht weiter ausbreitete, führen Fachleute auf die Massenschlachtungen zurück. Innerhalb von drei Tagen wurden rund 1,5 Hühner getötet.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Tötung der betroffenen Tiere als absolut dringend bezeichnet. Mit diesem Ansatz dürften die Behörden des neuen Ausbruchs der Geflügelpest aber nicht Herr werden. Zwar wurden bereits Millionen Hühner vor allem in Vietnam getötet. Doch mindestens sechs Länder sind bereits betroffen, die Seuche breitet sich seit Wochen aus.

Sollten die schlimmsten Befürchtungen eintreten und der Geflügelpest-Erreger eine neue Grippewelle auslösen, hätte die Bevölkerung dem nur wenig entgegenzusetzen. Grippe breitet sich so schnell aus, dass eine Quarantäne für die ersten Kranken wirkungslos wäre. Medikamente gegen menschliche Grippe-Viren könnten möglicherweise helfen, wären aber bei einer Pandemie nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Impfstoff, an den die WHO bereits arbeitet, wäre vermutlich nicht schnell genug zur Hand – und es dauert viel Zeit, bis die Fragen der Sicherheit, Wirksamkeit und Dosierung geklärt sind.

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