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VÖZ-Enquete: Medienkompetenz unverzichtbar für demokratische Teilhabe

Der Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) Thomas Kralinger
Der Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) Thomas Kralinger ©APA
Wien. - Ein bildungspolitisches Thema ist mit der Lese- und Medienkompetenz im Mittelpunkt der diesjährigen Enquete des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) gestanden. VÖZ-Präsident Thomas Kralinger verwies am Mittwochvormittag auf den unverzichtbaren Umstand, "dass die Bürger bei politischen Vorgängen auch verstehen, was hier gemacht wird". Eine entsprechend wesentliche Rolle komme den Medien zu.
Public Value Bericht 2013
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Der deutsche Philosoph und Erziehungswissenschafter Matthias Rath versuchte in seiner Keynote mit dem Missverständnis aufzuräumen, dass man es seit PISA gewohnt sei, “die mangelnde Lesekompetenz der jungen Generation zu beklagen”. Vielmehr setze dieses Problem bereits bei älteren Generationen an, wie verschiedene Studien zeigen. “Eigentlich sind wir die Loser”, formulierte Rath überspitzt. Insgesamt sei die soziale Abhängigkeit des Lese- wie allgemeinen Bildungserfolgs ein “politisch desaströser Befund”.

Medienerziehung in Schulen?

Wichtig ist aus seiner Sicht die Förderung nicht nur des textimmanenten Lesens, sondern des wissensbasierten Verstehens. “Das ist die maßgebliche Kompetenz eines mündigen Bürgers”, so Rath, der die österreichische wie deutsche Gesellschaft hier im internationalen Vergleich hinterherhinken sieht. Die Wissenskluft zwischen sozialen Schichten sei aber kein unabänderliches Schicksal. “Eine selbstbestimmte, auf Hintergrundwissen abzielende Medienrezeption kann diese Kluft überbrücken, ja schließen.” Das müsse vor allem an den Schulen vermittelt werden, wobei er forderte, den erst 2012 neuerlich adaptierten Grundsatzerlass Medienerziehung in Österreich “auch Wirklichkeit werden zu lassen”. Der Wert der Zeitungen müsse in den performativen Langtexten, die Zusammenhänge herstellen und Bewertungen bieten, gesehen werden. “Das ist eine pfleglich zu behandelnde Kunst”, die Rath zufolge aber genauso im Online-Bereich gesucht und gefunden werden kann. “Zeitungsmacher können auch digital.” Es wäre aus seiner Sicht “zu billig”, die Kompetenzförderungen nur auf die Schule abzuwälzen. Vielmehr müsse Medienbildung ein gesellschaftliches Phänomen werden, das – auch mit Unterstützung der Verleger – quer über alle Schularten und Altersgruppen hinweg greifen sollte.

Keine Elite! “Wir wollen die Breite”

In der anschließenden Diskussion verwies der Autor und Lehrer Niki Glattauer darauf, dass sich die Inhalte der Zeitungen oft “nicht mit den Lebensinhalten der Kinder” decken würden, entsprechend schwierig seien mitunter Anknüpfungspunkte zu vermitteln. Dass Menschen das Lesen auch verlernen, strich AMS-Chef Johannes Kopf hervor. Der Erfolg der Zeitungen liege nicht zuletzt darin, “diese Fähigkeit weiter zu üben”. Zu simpel war ihm aber der Zusammenhang zwischen einer höheren Bildung und politischer Teilhabe, “und schon ist die Demokratie in Ordnung”. Auch Kralinger betonte, dass man keinesfalls “in diese Überheblichkeitsfalle tappen” dürfe.
Man habe schließlich auch kein Interesse, als Verleger nur eine Bildungselite anzusprechen, “wir wollen die Breite”, betonte der VÖZ-Präsident. Zentrale Herausforderung sei entsprechend, die Chancen auf Bildung fairer zu gestalten, wie sich Kopf anschloss. Wobei sich Glattauer einen bildungspolitischen Seitenhieb nicht verkneifen konnte: “Die Schule, wie sie derzeit aufgestellt ist, leistet sehr viel. Mehr ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht möglich.”

Reform der Presseförderung

Thema war bei der Enquete auch eine Reform der Presseförderung. Kommunikationswissenschafter Hannes Haas zufolge müsse diese deutlich ausgebaut sowie an “tatsächliche Bedingungen” geknüpft werden, von einer Journalisten-Ausbildung bis zur Mitgliedschaft im Presserat etwa. Kralinger forderte statt den derzeit knapp 10,8 Mio. insgesamt 50 Mio. Euro. “Wenn unsere Gesellschaft an vitaler Demokratie Interesse hat, braucht es eine funktionierende Kontrolle.” Trotz der budgetären Schwierigkeiten glaubt der VÖZ-Präsident an das Bekenntnis der Regierung zu einer Reform.

Chancengleichheit herstellen

Rückendeckung erhält der Verband diesbezüglich auch von seinen Mitgliedern, wie eine aktuelle, im zweiten Public Value-Bericht des VÖZ publizierte Umfrage ergab. 80 Prozent der Befragten bezeichnen Reform sowie Aufstockung der Presseförderung als sehr wichtig bzw. wichtig. Bezüglich eines Leistungsschutzrechts liegt der entsprechende Wert sogar bei 83 Prozent, gelte es doch Chancengleichheit zwischen heimischen Content-Anbietern und internationalen Playern wie Google herzustellen.

Neue Geschäftsfelder erschließen

Die wirtschaftliche Situation bewerten die Verlage indes nüchtern bis sehr kritisch. Nur drei Prozent der befragten Medienhäuser glauben etwa an eine vollständige Erholung des Print-Werbemarkts, gleichzeitig könne Online-Werbung den diagnostizieren Rückgang aber kaum kompensieren. Entsprechend sehen 41 Prozent einen Bedeutungsgewinn von Vertriebserlösen sowie die Notwendigkeit, neue Geschäftsfelder zu erschließen. (APA)

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