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Visuelle Attacke: New York im Wien-Museum

Boys Smoking in Car, Reform School, New York, 1963 von Charles Harbutt
Boys Smoking in Car, Reform School, New York, 1963 von Charles Harbutt ©Foto: CHARLES HARBUTT / ACTUALLY INC.
"Big City" zeigt 150 Arbeiten der Street Photography ab den 1940er Jahren im Wien-Museum am Karlsplatz: Alltagsaufnahmen abseits von Skyline-Klischees!

Eine “Hommage des nie ganz Weltstadt gewordenen Wiens an die Übermetropole New York” nennt Wien-Museum-Direktor Wolfgang Kos die Fotoschau “Big City”, die ab morgen, Donnerstag, in seinem Ausstellungshaus am Karlsplatz zu sehen ist. Gezeigt werden rund 150 Arbeiten der Street Photography, die abseits von Skyline-Klischees den urbanen Alltag im “Big Apple” festhalten. Beginnend mit den 1940er Jahren und Genrebegründern wie Ted Croner und Sid Grossman überspannt der Bilderreigen insgesamt fünf Jahrzehnte großstädtischen Lebens.

Kuratiert wurde die Ausstellung von Gilles Mora, der als anerkannter Fachmann der amerikanischen Fotokunst gilt. “Du nimmst einfach eine kleine Kamera und knipst alles, was mit dem Leben auf der Straße zu tun hat”, umriss Mora im Rahmen einer Presseführung am Mittwoch die schnappschussartige und dadurch oft brutal wirkende Bildsprache der Street Photography. Kos’ Charakterisierung der Lichterstadt New York als “visuelle Totalattacke” ließe sich also auch problemlos auf das Konzept der Street Photography übertragen: Nichtsahnende Passanten und flüchtige Szenen werden schonungslos von der immer schussbereiten Kamera eingefangen.

Mora verwies dabei auf die sozialkritischen Ursprünge des Genres. Diese liegen im Amerika der 1940er Jahre. Dahinter stand die Idee, mit den Mitteln der Kunst auf die Not der Menschen hinzuweisen. Die Ausstellung konzentriert sich bei den Arbeiten aus dieser Zeit auf Mitglieder der “Photo League”, die damals als wichtigstes Forum sozialdokumentarischer Fotografie galt.

Zeitgenössische Größen wie Walker Evans, Weegee (eigentlich: Arthur Fellig) oder Ted Croner widmeten sich vorrangig der schäbigen Seite des “American Dream”: Ermordete Obdachlose, kaputte Häuserfronten oder erschöpfte U-Bahn-Passagiere gehörten zu ihren Motiven. Die Bilder wurden nicht in Museen oder Galerien ausgestellt, sondern in auflagenstarken Magazinen abgedruckt. Der – atmosphärisch an den Film noir angelehnte – Abzug “Taxi, New York City Night” ziert zudem nicht nur das Ausstellungsplakat, sondern diente auch als Cover des 2006 veröffentlichten Bob-Dylan-Albums “Modern Times”.

Die Fotos aus den 1950er und 1960er Jahren sind durch zunehmende Fragmentierung gekennzeichnet, etwa durch Reflexionen in Glasfronten oder Autospiegeln bei Lee Friedlander oder durch Licht- und Schattenvariationen bei Charles Harbutt. Aus dieser Zeit stammen auch die Fotos von Diane Arbus, die als eine der wenigen Künstlerinnen in der Schau vertreten ist. Sie porträtierte Mittelstandsfamilien, Zirkusartisten, Promis und Nudisten. Vermehrt Farbaufnahmen mischen sich erst in die präsentierten Arbeiten aus den 1970er und 1980er Jahren.

Einen besonderen Raum bei “Big City” nimmt der Fotograf Garry Winogrand ein. Dieser – so Mora – “crazy guy” knipste geradezu zwanghaft Tausende von Bildern und attackierte häufig Menschen geradezu mit seiner Kamera. Aus seinem Nachlass von mehr als 5.000 Diapositiva, von denen es nach wie vor keine Papierabzüge gibt, sind nun im Wien-Museum rund 300 ausgewählte Aufnahmen als Slideshow zu sehen. Die Ausstellung, deren Titel laut Kos eine Referenz an Jimmy Reeds Großstadt-Song “Bright Lights, Big City” darstellt, läuft bis 24. Mai.

Big City – New York Street Photography” im Wien-Museum am Karlsplatz
Bis 24. Mai; Dienstag bis Sonntag, 9.00 bis 18.00 Uhr
Web:  http://www.wienmuseum.at

karlsplatz,1010 wien,austria

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