Verhaltener Applaus für Janá?ek-Premiere in Innsbruck
Zu Beginn setzte Regisseur Ribitziki auf eine gesunde und erfrischende Portion Realismus, bei der sich die Zuschauerinnen und Zuschauer im alten Prag wähnten. Obwohl das Bühnenbild von Stefan Rieckhoff diese beschworene Realität bereits leicht ins Comichafte verzerrte, folgte man bereitwillig und nahm an, was eben war: eine Kneipe, viel Bier, Knackwürste und ein eher kleingeistiger, alkoholaffiner Hausbesitzer, der sich bald als der Protagonist des Werks, Matěj Brouček, entpuppen sollte.
Die Musik dazu zog durchaus in den Bann: dezent experimentell, insgesamt aber weit von den extravaganten "Neutönern" wie etwa Arnold Schönberg entfernt, der in etwa zeitgleich wie Janáček wirkte und komponierte. Unter der Leitung von Toogood war die Musik von Janáček glasklar dargeboten, feingliedrig und in ihrer erzählerischen Qualität vollends verwirklicht.
Mondwelt folgte auf bierseliges Prag-Setting
Es hätte also so schön wie bierselig wie einlullend-filmisch sein können. Das Seinige trug auch vorerst das erste animierte Video von Paul Barritt dazu bei, das den Vollmond, der in der Nacht der Szenerie vorherrschte, auf witzige Weise zelebrierte. Dass dieser schöne Mond aber die Eintrittskarte zu der ersten Parallelrealität auf dem Mond sein sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.
Dort war dann jedenfalls wirklich alles anders: Riechen statt Essen, Verse statt körperliche Liebe, Blumen statt Fleisch. Dass sich der wurstbegeisterte Alkoholfan Brouček in dieser Welt nicht wohlfühlen würde, lag wahrlich auf der Hand. Das Erwachen transportierte ihn glücklicherweise wieder zurück in seine Realität.
Ein Ausflug ins Jahr 1420 in satirischer Funktion
Selbiges Muster wurde auch im zweiten Teil der Oper angewandt, das ihn in ein für ihn fremdes Prag des 15. Jahrhunderts versetzte. Auch dort fand er ganz und gar nicht "seine" Welt vor: Religiöse Fanatiker, Glaubenskriege, fundamentale Ansichten und die Bereitschaft für das Vaterland zu sterben ließen sich nur schwer mit dem trägen Leben von Brouček in Einklang bringen. Bevor es ihm - nicht nur sprichwörtlich - in diesem Setting an den Kragen ging, folgte auch hier die erlösende Heimkehr.
Die Funktion dieser titelgebenden "Ausflüge" blieb dabei weitestgehend offen. War es der Spaß an der schieren Möglichkeit diese Welten darzustellen oder hielten sie mit ihrem "Anderssein" dem Kleinbürger quasi den Spiegel vor, mit der Intention seine Gewissheiten und Lebensweisen zu erschüttern? Es war wohl von beiden Seiten ein bisschen etwas: ein bunter Klamauk mit ebenso bunten und zum Teil ausgefallen Kostümen genauso wie eine Satire auf die Kleingeistigkeit und deren doch sehr enge Grenzen.
Kurzweilige Oper, verhaltener Applaus
Die rund zwei Stunden der zweiteiligen Oper waren jedenfalls trotz dieser Unklarheiten vergnüglich und kurzweilig. Die animierten Videos als Zwischenspiele waren dabei mehr Gewinn als Schaden: Sie nahmen den Irrsinn so mancher Szene vorweg und rahmten diesen humorvoll ein, ohne dessen Wirkung abzumildern. Auch die gesanglichen Leistungen waren überzeugend, allen voran die von Florian Stern als Brouček.
Ebensolches ließ sich auch etwa über Hazel Neighbour sagen, die sowohl die Malinka in der Prager Realität überzeugend auf die Bühne brachte als auch die verhuschte Etherea am Mond gut in Szene setzte. Auch Erwin Belakowitsch als Wirt Würfl - und sonstigen Rollen in den beiden anderen Welten - wusste zu begeistern.
Diese Leistungen im Bereich des Gesangs und der Darstellung honorierte das Publikum im gut gefüllten, aber nicht annähernd ausverkauften Großen Haus mit vereinzelten Bravo-Rufen. Auch der Chor und der Extrachor durften lauten Beifall einstreifen. Insgesamt blieb der Applaus aber klar verhalten, auch in Richtung Regie mochte keine wirkliche Begeisterung aufkommen.
(Von Markus Stegmayr/APA)
(S E R V I C E - "Die Ausflüge des Herrn Brouček" von Leoš Janáček, Libretto von Leoš Janáček nach dem Buch von Svatopluk Čech. Regie: Tobias Ribitzki. Musikalische Leitung: Matthew Toogood. Bühne und Kostüme: Stefan Rieckhoff. Video: Paul Barritt. Mit: Florian Stern (Matěj Brouček), Hazel Neighbour (Malinka/Etherea/Kunka), Alexey Sayapin (Mazal/Sternenfried/Peter), Marcel Brunner (Sakristan/Mondkristan/Domsik) Erwin Belakowitsch (Würfl/Zauberlicht/Schöffe), Anastasia Lerman (Piccolo/Wunderkind/Student). Abongile Fumba (Kedruta), Jungwhan Lee (Komponist/Harfenklang/Miroslav der Goldschmied, Esewu Nobela (Maler/Farbenspiel/Vojta), Qi Wang (Dichter/Wolkengrau/Vacek), Tiroler Symphonieorchester des Tiroler Landestheaters, Chor des Tiroler Landestheaters, Extrachor des Tiroler Landestheaters. Weitere Vorstellungen am 7., 9., 13., 23. November, 6., 21., 27. Dezember, 9. und 25. Jänner 2026. )
(APA)
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