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USA: Merkel reist aus Position der Stärke zu Bush

Die erste Überraschung für den Gastgeber hält Angela Merkel (SPD) schon vor ihrer Abreise in die USA bereit: Die Bundeskanzlerin reist am Donnerstag nach gut sieben Wochen im Amt nicht als Neuling.

Denn sie tritt als außenpolitisches Schwergewicht zum Antrittsbesuch bei US-Präsident George W. Bush in Washington an.

Mit einem wichtigen Verhandlungserfolg auf EU-Ebene im Rücken und getragen von der breiten internationalen Debatte um das Vorgehen der Vereinigten Staaten im Anti-Terror-Kampf gibt sich Merkel selbstbewusst: Deutlich wie zuvor kaum ein anderer europäischer Partner forderte die Kanzlerin wenige Tage vor der Abreise die Schließung des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba. Die US-Regierung wies den Vorstoß zurück, blieb in der Wortwahl aber moderat.

Die USA hegen große Erwartungen an Merkel und deren Ankündigung, das transatlantische Verhältnis nach den Spannungen um Vorgänger Gerhard Schröder wieder zu stärken. In Merkels Beraterkreis wird mit Zufriedenheit darauf verwiesen, dass Präsident Bush sich viel Zeit für die Kanzlerin nehmen wolle und Merkel zur Übernachtung in ein Gästehaus des Präsidialamts direkt gegenüber des Weißen Hauses eingeladen habe. Doch Merkels Botschaft soll klar unterstrichen werden: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen können sich nur entscheidend verbessern, wenn beide Seiten daran arbeiten.

Merkels Treffen mit Bush ist nach einem Frühstück mit Kongressmitgliedern für Freitagvormittag (Ortszeit) geplant, nach einer gemeinsamen Pressekonferenz steht anschließend auch ein Mittagessen mit dem US-Präsidenten auf dem Programm. Im Mittelpunkt der Gespräche dürfte neben den transatlantischen Beziehungen auch der Kampf gegen den internationalen Terrorismus stehen. Hier hat Merkel überraschend die Debatte um das seit Jahren heftig umstrittene Gefangenenlager Guantanamo auf die Tagesordnung gehoben und damit das Thema Irak an den Rand gedrängt: Mit ihrer Aufforderung im „Spiegel“-Interview, das Lager zu schließen, erntete Merkel im Inland Beifall über die Parteigrenzen hinweg – und in den USA statt einer Welle der Empörung eine freundliche Absage. Das Lager wird seit langem kritisiert, weil die USA dort Terrorverdächtige ohne rechtliche Grundlage festhalten. Darüber hinaus ist vor einigen Wochen eine Debatte um angebliche Geheimgefängnisse in Europa aufgekommen.

Auch der Fall des mutmaßlich vom US-Geheimdienst CIA entführten Deutschen Khaled el-Masri dürfte nach Einschätzung aus Merkels Beraterkreis zur Sprache kommen. Das Thema hatte das Treffen der Kanzlerin mit US-Außenministerin Condoleezza Rice Anfang Dezember in Berlin beherrscht und der neuen Regierung wegen der Rolle des früheren Kanzleramtschefs und jetzigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier die erste Belastungsprobe beschert. Merkel hatte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der sichtlich irritierten Rice erklärt, der Fall El-Masri sei von der US-Regierung als Fehler bezeichnet worden. Trotz der prompten Kritik hoher US-Regierungsbeamter blieb Merkel bei ihrer Darstellung, ohne dabei scharfen Gegenwind aus Washington zu riskieren. Denn inzwischen stieß das Vorgehen der USA im Anti-Terror-Kampf auch europaweit zunehmend auf Skepsis.

Merkel hat allerdings auch betont, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht auf den Kampf gegen den Terrorismus und die Meinungsverschiedenheiten um den Irak-Krieg reduziert werden dürften. Gemeinsamkeiten wie etwa im Vorgehen in Afghanistan und gegen den Iran, der mit seinem Atomprogramm und der israel-feindlichen Haltung seines Präsidenten die Staatengemeinschaft gegen sich aufgebracht hat, dürften nach Expertenmeinung besonders herausgestellt werden. Auch die Entwicklung in Russland und die Auswirkungen auf die Energieversorgung seien ein Thema, sagt Jackson Janes vom US-Institut für deutsche Gegenwartsgeschichte.

Die US-Regierung schöpft vor allem aus Merkels Kritik an der US-Politik ihres Vorgängers Schröder und aus der ostdeutschen Herkunft der 51-Jährigen Hoffnung auf Annäherung. Als Ostdeutsche mit Distanz zur DDR-Führung werde Merkel in Washington eine besondere Nähe zu den USA zugeschrieben, sagt der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt. Auch Merkels Vermittlungserfolg in den Verhandlungen über die EU-Finanzplanung und ihr Auftreten bei den Antrittsbesuchen in Paris, London, Brüssel, bei der NATO und in Warschau seien in den USA als konstruktiv registriert worden. Für die US-Regierung sei es wichtig, dass Deutschland als EU-Schwergewicht die Annäherung an die Vereinigten Staaten zum Ziel der Außenpolitik erklärt hat.

Deutschland komme im Verhältnis zwischen der EU und den USA eine enorm wichtige Rolle zu, hatte Merkel schon bei ihrer jüngsten USA-Reise im Februar 2003 gesagt. Damals hatte die CDU-Vorsitzende dem Besuch allerdings eine Solidaritätsbekundung vorausgeschickt: In der „Washington Post“ erklärte sie mit Blick auf den Irak-Konflikt, militärische Gewalt dürfe als letztes Mittel im Umgang mit Diktatoren niemals ausgeschlossen werden.

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