Ich werde ihn vermissen, sagte US-Präsident George W. Bush am Donnerstag kurz vor seinem Abflug nach Europa über seinen scheidenden CIA-Chef. Dies mag sogar stimmen. Denn George Tenet war ein überaus loyaler Diener seines Herrn und hatte in den vergangenen Jahren mehrfach ohne Murren für den Präsidenten die Rolle des Sündenbocks auf sich genommen – vor allem als es um die Pannen vor den Anschlägen des 11. September 2001 und die Falschinformationen über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen ging. Möglich ist, dass der Geheimdienstchef mit seinem Abgang diese Rolle nun ein letztes Mal für Bush übernimmt: In Washington wurde spekuliert, dass Tenet gehen musste, weil er zu einer Belastung für den Wahlkampf werden könnte.
Nach Bushs Version geht Tenet freiwillig. Der CIA-Chef habe ihm bei einem Treffen im Weißen Haus mitgeteilt, dass er aus persönlichen Gründen seinen Hut nehme. Er bedauere diesen Entschluss, habe ihn aber akzeptiert, sagte Bush. Zwar spricht durchaus einiges dafür, dass Tenet nach sieben aufreibenden Jahren an der Spitze des CIA sein Amt leid war. Doch Stansfield Turner, ein Amtsvorgänger Tenets, ging dennoch davon aus, dass sein Nachfolger zum Rücktritt gedrängt worden sei. Tenet sei zu loyal, um den Präsidenten in der Mitte einer Wahlkampagne im Stich zu lassen, sagte Turner im Sender CNN.
Kommentatoren in Washington hatten sich schon seit längerem gewundert, dass der umstrittene Geheimdienstdirektor noch im Amt war. Der Grund mag darin gelegen haben, dass Bush Loyalität extrem schätzt – und mit Loyalität erwidert. So war Tenets Rücktritt bereits gefordert worden, als herauskam, dass die CIA wichtige Hinweise auf die Terrorplanungen für den 11. September übersehen hatte. Dass Bush dennoch an dem Geheimdienstchef festhielt, dürfte die Bande zwischen beiden damals noch gestärkt haben.
Im Juli vergangenen Jahres hielt Tenet dann seinen Kopf für Bush hin, als der Präsident in der Diskussion um die Gründe des Irak-Krieges massiv unter Druck geriet: Damals übernahm der CIA-Direktor die Verantwortung für jene kontroverse Passage in der Rede zur Lage der Nation, in der Bush den früheren irakischen Machthaber Saddam Hussein bezichtigt hatte, sich in Afrika um Uran für Atomwaffen bemüht zu haben – ein Vorwurf, der sich als unhaltbar erwies. Doch schon seinerzeit kam der Verdacht auf, dass die Passage gegen den Willen des CIA-Chefs in die Rede des Präsidenten aufgenommen wurde und Tenets Schuldbekenntnis von den wahren Verantwortlichen ablenken sollte.
Viele Experten werfen der Bush-Regierung vor, zur Rechtfertigung des Krieges die CIA massiv unter Druck gesetzt zu haben. Nach Angaben von Vincent Cannistraro, eines früherer ranghohen CIA-Mitarbeiters, besuchte Vizepräsident Dick Cheney mehrfach den CIA-Sitz in Langley bei Washington, um mit Spezialisten über die angeblichen irakischen Uran-Bemühungen zu sprechen. Diese Besuche seien bei der CIA als Einschüchterung empfunden worden.
Der Starjournalist Seymour Hersh berichtete im Magazin New Yorker, die CIA-Spezialisten seien ständig von Cheneys Büro bedrängt worden, die irakischen Waffenprogramme möglichst dramatisch zu schildern. Auf sie wurde Tag für Tag eingehämmert, zitierte Hersh einen hohen Regierungsmitarbeiter. Schon bald hätten die CIA-Leute gesagt: Scheiß drauf und die Daten wie gewünscht geliefert. Hersh zitierte auch einen früheren CIA-Mitarbeiter mit der Aussage, dass die Geheimdienstler ihrem Direktor anlasteten, sie nicht genügend geschützt zu haben – trifft dies zu, hätte Tenet seine Loyalität zum Weißen Haus über die zu den eigenen Mitarbeitern gestellt.
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