US-Start-ups kopieren China-Modell: "996" statt "9 to 5"
In vielen Ländern gilt die 40-Stunden-Woche als Errungenschaft sozialer Bewegungen. Doch vor allem in der Tech-Branche der USA kehrt sich laut einem Bericht des "Standard" dieser Trend derzeit um. Immer mehr Start-ups verabschieden sich vom klassischen "9 to 5"-Modell – und führen die sogenannte "996"-Arbeitswoche ein: zwölf Stunden täglich, sechs Tage die Woche. Das entspricht 72 Stunden Arbeit – pro Woche.
Ursprung in China – neue Heimat in US-Techszene
Die Bezeichnung "996" stammt ursprünglich aus China. Sie beschreibt eine Arbeitswoche von 9 bis 21 Uhr an sechs Tagen. Obwohl dieses Modell dort offiziell verboten wurde, ist es in vielen Tech-Unternehmen weiterhin gängige Praxis.
In den USA greifen nun vor allem KI-Start-ups das Konzept auf – offenbar in der Hoffnung, durch Dauerarbeit schneller zum Erfolg zu kommen.
"Eat-Sleep-Work": Wenn das Büro zum Zuhause wird
Ein besonders drastisches Beispiel liefert das Unternehmen Cognition AI aus San Francisco. Laut Firmenchef Scott Wu schlafen Mitarbeiter regelmäßig im Büro – freiwillig, wie betont wird.
Man wolle volle Transparenz und rechne mit Bewerbern, die diese extreme Leistungskultur bewusst wählen. Auch die New Yorker Firma Rilla schreibt in einer Stellenanzeige offen, dass nur Bewerber mit hoher Arbeitsbereitschaft Chancen hätten.
Experten warnen vor Burn-out und Kreativitätsverlust
Kritik an diesem Trend kommt unter anderem vom Arbeitsmarktexperten Keith Spencer. Er betont, dass ein derartiger Leistungsdruck langfristig kontraproduktiv sei: Überlastung führe nicht nur zu gesundheitlichen Problemen, sondern mindere auch die Innovationskraft. Eine aktuelle Umfrage des Onlineportals Care.com zeigt: 69 % der Befragten in den USA sehen ihr Burn-out-Risiko als mittel bis hoch an.
Auch Winter Peng von der Coachingfirma Silveroak Capital Academy mahnt zur Vorsicht: Unternehmen, die auf kreative Höchstleistungen setzen, könnten mit 72-Stunden-Wochen genau das Gegenteil erreichen – nämlich Abwanderung der besten Köpfe.
Zwischen Boom und Gesetzesverstoß
Kurios: Während in China das "996"-Modell offiziell seit Juni 2021 als illegal gilt, wird es in der Praxis oft toleriert – und sogar als Wettbewerbsvorteil gesehen. Auch US-Investoren loben die vermeintliche Effizienz. Doch ein behördlicher Eingriff in die Praxis steht weder dort noch in den USA bevor.
(VOL.AT)
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