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Unternehmensinsolvenzen

Feldkirch - Am Dienstag hat der Kreditschutzverband 1870 (KSV) eine positive Bilanz zum Insolvenzgeschehens des ersten Halbjahres 2011 gezogen.
Grafik I: Insolvenzverfahren im Vergleich
Grafik II: Privatkonkurse im Vergleich

Unternehmensinsolvenzen erstes Halbjahr 2011

Das Insolvenzgeschehen in Österreich scheint Atem zu holen und im Zuge einer sich laufend verbessernden Konjunktur und Prognose die Insolvenzwelle des Jahres 2009 hinter sich zu lassen.

Mit 1.672 eröffneten Verfahren waren es um 52 Unternehmen (oder 3 %) weniger, über die im ersten Halbjahr 2011 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, als im Vergleichszeitraum 2010. Die davon betroffenen ca. 10.300 Dienstnehmer liegen ca. 5, 5 % unter dem Vorjahr und die Verbindlichkeiten von EUR 1,1 Milliarden mit mehr als 30 % deutlich unter dem Vorjahr.

“Da ist eine gute Nachricht!”

Anhand des Langfristtrends kann gesagt werden, dass das Schlimmste vorerst einmal vorbei ist. Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte des KSV1870: “Die Prognose für das Jahr 2011 (Anmerkung: plus 3 – 5 % an Insolvenzen) kann aus heutiger Sicht revidiert werden. Das Jahr 2011 wird – bei allen derzeit noch bestehenden Ungewissheiten tendenziell eher unter 2010 liegen als darüber. Das ist eine gute Nachricht!”

Ein Jahr Sanierungsverfahren in Österreich

Der Gesetzgeber des Jahres 2010 hat die Bestimmungen zur Unternehmenssanierung nachhaltig novelliert. Zu Motivation und Inhalt gab es im vergangenen Jahr viele Seminare, Enqueten und Presseaussendungen. Heute ist der erste Geburtstag des neuen Sanierungsverfahrens Anlass und Gelegenheit, erste statistisch-empirische Beobachtungen anzustellen. Dabei sind Fragen von Relevanz wie:

  • Ist die Zahl der Unternehmenssanierungen gesteigert worden, ganz nach dem Motto der letzten Justizministerin “Retten statt Ruinieren”?
  • Wird das neue Recht von Schuldnern so angenommen, dass bessere Erfolge erzielt werden können?
  • Können insbesondere die Gläubiger mit einer höheren Quotenbefriedigung rechnen?

Es ist vor allem die letzte Frage, die einerseits den Gläubigerschützer KSV1870 interessiert, deren Beantwortung aber auch einen Rückschluss darauf zulässt, ob die volkswirtschaftlichen Effekte der Reform IRÄG 2010 auch eintreten. Diese Effekte kann man kurz folgendermaßen skizzieren: Nicht die Insolvenz wirkt als Wertevernichter in der Volkswirtschaft, sondern die Verlustproduktion der Unternehmen vor der Insolvenz. In diesem Zeitzraum kaufen sie mit dem Geld der Gläubiger Ressourcen auf dem Markt zu, sagen wir 100 Teile, um dann daraus nur 95 oder 90 Teile Output zu erzeugen. Es wird also buchstäblich Geld vernichtet. Je früher diese Verlustproduktion oder Geldvernichtung beendet wird, desto mehr Substanz gibt es noch im Unternehmen für mögliche Sanierungen und desto höher fallen in der Folge die Quoten aus. Wenn diese also gestiegen sind, dann wäre ein Rückschluss zulässig, dass die Novelle gewirkt hat.

Privatkonkurse erstes Halbjahr 2011

Im ersten Halbjahr 2011 sind die eröffneten Schuldenregulierungsverfahren um rund 8 % gestiegen. Fast 5.000 Personen strebten in den ersten sechs Monaten die Regulierung ihrer Schulden an.

Die hochgerechneten Zahlen des KSV1870 zeigen, dass mit 4.970 eröffneten Privatkonkursverfahren fast 5.000 Menschen in Österreich Anstrengungen unternommen haben, ihre Schulden zu regulieren und ihren Gläubigern gleichmäßige Quoten zu bezahlen. Das ist ein Plus von 8,3 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2010. Prozentuell führt Niederösterreich mit 24 % Zuwachs das Ranking an. Gemessen an den Fällen (absolute Zahlen) verzeichnet Wien mit einem Plus von 149 Fällen den stärksten Anstieg.

Nach zwei Jahren der Stagnation nehmen die beantragten und eröffneten Verfahren zur Schuldenregulierung wieder deutlich an Fahrt auf. Die unten stehende Grafik verdeutlicht, wie sehr die Krise des Jahres 2008/09 Einfluss auf die Entwicklung der Privatkonkurse hatte, und die Zahl der Verfahren – abgelesen an der Trendlinie – während des Jahres 2009 und im ersten Halbjahr 2010 nahezu stagnierte. Erst die deutlich positiven Signale der Wirtschaft ab etwa der zweiten Hälfte 2010 haben ein Anspringen der Anträge auf Entschuldung bewirken können. Denn es bedarf nicht nur eines regelmäßigen Einkommens, sondern auch sehr viel an Kraft und Durchhaltevermögen für einen Schuldner, über einen Zeitraum von 5 – 7 Jahren seinen Gläubigern eine Quote anzubieten und regelmäßige Zahlungen zu leisten.

Ausblick auf 2011 und beyond

Der Privatkonkurs als Instrument für natürliche Personen Schulden nur teilweise abzutragen, hat sich in den vergangenen 15 Jahren absolut bewährt. Er ist im Jahr 1995 eingeführt worden, um den im Jahr 1990 erhobenen ca. 80.000 insolventen natürlichen Personen in Österreich ein wirksames Entschuldungsinstrument zur Hand zu geben. Heute 15 Jahre nach Inkrafttreten und 75.000 Entschuldungsverfahren später ist die Zahl der materiell insolventen Personen jedoch nicht zurückgegangen, sondern sogar noch angestiegen. Der KSV1870 schätzt ihre Zahl auf 120.000 bis 150.000 Personen. Ursachen dafür waren die sog. Sparpakete der Regierungen der 90ger Jahre im Zuge des Beitrittes Österreichs zur EU – die ja in Wahrheit Belastungspakete waren – und ein davon ausgelöster sprunghafter Anstieg der Verschuldung der privaten Haushalte in der zweiten Hälfte der 90ger Jahre – eine Verschuldung, die rein statistisch mehr Insolvenzen erzeugte, als im gleichen Zeitraum von den Gerichten abgehandelt wurden. Es zeigt sich dabei aber auch, dass die Einführung des Privatkonkurses in Österreich keinen Tag zu früh erfolgte, da heute die Lage wesentlich bedenklicher wäre, wenn es ihn nicht gäbe. Die Bemühungen der Politik zur Erleichterung der Entschuldung dürfen dabei keinesfalls übersehen, dass es Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt braucht, um Schulden abzutragen. Nicht die Schwelle zur Entschuldung soll abgesenkt werden, sondern die Zuversicht der Menschen in ihre Verdienstmöglichkeiten, also ihre Entschuldungsmoral muss gestärkt werden.

(Quelle: KSV1870, Dr. Hans-Georg Kantner)

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