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Flutkatastrophe in Libyen mit 10.000 Vermissten

Erste Hilfsgüter eingetroffen - 3.840 Tote alleine in Darna
Erste Hilfsgüter eingetroffen - 3.840 Tote alleine in Darna ©APA
Nach den katastrophalen Überschwemmungen in Libyen herrscht weiter Ausnahmezustand.
Tausende Tote nach Unwetter in Libyen

Allein in der besonders schwer getroffenen Hafenstadt Darna sind mehr als 30.000 Menschen obdachlos geworden, Tausende in anderen Städten, wie die Internationalen Organisation für Migration (IOM) mitteilte. Rettungskräfte suchten am Mittwoch weiter nach Toten, rund 10.000 Menschen werden vermisst. Nach Angaben der Verwaltung im Osten des Landes kamen mehr als 5.000 Menschen ums Leben. Ein Sprecher sagte, es könnten bis zu 9.000 Tote zu beklagen sein.

Allein in der besonders betroffenen Hafenstadt Darna seien bisher 3.840 Todesopfer registriert worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums in dem Gebiet, Tarek al-Charras, am Mittwochabend. Unter ihnen seien auch mindestens 400 Ausländer, vor allem Sudanesen und Ägypter.

Ganze Straßenzüge im Schlamm versunken

Der Sturm "Daniel", der zuvor auch in Griechenland wütete, hatte am Sonntag das nordafrikanische Land erfasst. Nahe der Küstenstadt Darna brachen zwei Dämme, ganze Viertel der Stadt mit ihren rund 100.000 Einwohnern wurden ins Meer gespült. Videos in sozialen Medien zeigten Fahrzeugkolonnen, die Tote abtransportierten, auf anderen Aufnahmen trieben Leichen im Meer. Auch neue Drohnenaufnahmen zeigen die dramatische Lage. Ganze Straßenzüge Darnas sind in meterhohem Schlamm versunken. Helfer suchen unter den Erdmassen nach Überlebenden.

Darna vor und nach der Katastrophe (C) APA

Die Hilfsorganisation Care Libyen teilte mit, bei einem Wasserstand von bis zu zehn Metern sei das Gebiet um Darna völlig zerstört sowie die Kommunikations- und Stromnetze lahmgelegt worden. Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20.000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete. Die betroffenen Regionen wurden zu Katastrophengebieten erklärt.

Leichen in Massengräbern beerdigt

Ein Sprecher der Regierung im Osten des Landes sagte, mehr als 1.000 unidentifizierte Leichen seien am Mittwoch in Massengräbern beerdigt worden. Insgesamt wurden demnach bereits mehr als 3.000 Menschen beigesetzt. Hilfsorganisationen, Politiker und die Armee rechnen damit, dass die Zahl der Toten noch weiter steigen könnte.

Ein Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres in New York sagte, man arbeite mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen, "um den Menschen in den betroffenen Gebieten dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen". Ein UN-Team sei an Ort und Stelle. Man kooperiere mit den Behörden, um Bedarf zu ermitteln und laufende Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Neben Darna waren auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. Papst Franziskus hat zum Abschluss der Generalaudienz auf dem Petersplatz der Menschen in Libyen und Marokko gedacht.

Mit politischer Situation verknüpft

Laut Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist die Katastrophe in dem Land auch mit der politischen Situation verknüpft: "Der Grund für das Ausmaß der Katastrophe ist der Bruch dieser zwei Dämme oberhalb von Darna." Jahrelang sei dort nicht ausreichend in die Infrastruktur investiert worden. "Gaddafi hat damals die Stadt dafür bestraft, dass in ihr Aufständische die Waffen ergriffen hatten." Zwar sei in den vergangenen Jahren immer etwas Geld geflossen, "aber das ging unter anderem in die Taschen von Milizenführern und Kriegsprofiteuren".

ÖRK gibt 150.000 Euro frei

Das Österreichische Rote Kreuz gibt nun 150.000 Euro als Soforthilfe für die Krisenregionen in Nordafrika frei. "Das ist eine erste Maßnahme, mit der wir einen Beitrag dazu leisten, dass die von der Katastrophe betroffenen Menschen mit dringend benötigten Hilfsmitteln wie etwa Decken oder warmen Mahlzeiten versorgt werden können", erklärte Rotkreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig am Mittwoch.

Hilfsgüter aus den Golfstaaten Katar und Kuwait sind eingetroffen. Eine Maschine der Luftwaffe aus Kuwait und die ersten beiden Flugzeuge aus dem Golfemirat Katar landeten auf einem Flughafen in der östlichen Stadt Bengasi. An Bord der drei Maschinen waren demnach mehr als 100 Tonnen Hilfsgüter, darunter etwa Stromgeneratoren, Zelte, Lebensmittel und Medikamente.

EU versendet Hilfsgüter

Die EU hat erste Hilfsgüter aus Deutschland, Rumänien und Finnland in die libyschen Überschwemmungsgebiete gesandt. Nach dem Hilfeersuchen der libyschen Behörden habe die EU ihren Katastrophenschutzmechanismus aktiviert, teilte die Kommission am Mittwoch in Brüssel mit. Die von den drei EU-Mitgliedern zur Verfügung gestellten "Zelte, Feldbetten und Decken, 80 Generatoren, Lebensmittel sowie Feldlazarette und Wassertanks" seien auf dem Weg in die besonders betroffene Hafenstadt Darna.

Öl-Exporte wieder aufgenommen

Libyen hat seine Öl-Exporte wieder aufgenommen. Die staatliche Ölgesellschaft (NOC) berichtete am Mittwoch ein Produktionsvolumen von rund 1,2 Millionen Barrel pro Tag. Die Exporte waren in dem ölreichen Land am Sonntag unterbrochen worden.

(APA/dpa/AFP)

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