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Ungarn: Generalstreik gefordert

Vor dem Parlament in Budapest forderten am Montagabend rund 1.500 Demonstranten den Rücktritt des ungarischen Premiers Ferenc Gyurcsany und seiner sozialliberalen Regierung.

Das berichtete die ungarische Nachrichtenagentur MTI. Seit dem ungarischen Volksaufstand von 1956 bestünde nun erstmals die Möglichkeit der Offenbarung des „freien Willens“, verkündeten die Redner der Aktion. Sie forderten die Demonstranten auf, ihre Verwandten, Bekannten per Telefon aufzufordern, am Dienstag nicht zur Arbeit zu gehen, da nur ein Generalstreik den Rücktritt von Gyurcsany erzwingen könne.

Die Demonstranten wollten so lange vor dem Parlament bleiben, bis Gyurcsany und sein Kabinett zurücktreten. Gebe es keinen Erfolg, will die Menge am Dienstag zum Gebäude des Ungarischen Rundfunks ziehen, um eine Bekanntgabe der Petition der Demonstranten zu erzwingen. Zum „zivilen Ungehorsam“ will die ungarische rechtsextremistische Organisation „Jobbik“ (Für ein besseres Ungarn) aufrufen, treten Gyurcsany und sein sozialliberales Kabinett nicht zurück. Wie die Internetzeitung Stop.hu zitiert, habe Gyurcsany „genug gelogen“. Auf einer Großdemonstration am 23. September auf dem Budapester Heldenplatz soll laut „Jobbik“ der landsweite Aufruf zum „zivilen Ungehorsam“ erfolgen.

Die Menge vor dem Parlament zeigte Enttäuschung wegen der Entscheidung des ungarischen Staatspräsident Laszlo Solyom, der den Premier nicht zum Rücktritt aufgefordert hatte. Solyom erklärte jedoch, Gyurcsany habe eine „moralische Krise“ in Ungarn ausgelöst, hätte seine persönliche Verantwortung mit der Einschätzung der Politik der vergangenen 16 Jahre „vermischt“ und damit die Krise noch verschärft. Er müsse sich bei der Gesellschaft entschuldigen. Solyom forderte Gyurcsany nicht zum Rücktritt auf, da die Verfassung für ihn keine Möglichkeiten der Einmischung biete. Die Regierung sei dem Parlament verantwortlich, erinnerte der Staatschef.

Gyurcsany hatte in einer internen Rede vor der Parlamentsfraktion der Sozialisten (MSZP) im Mai erklärt, sein Kabinett habe in den vergangenen Jahren gelogen und nichts erreicht. Eine Audio-Aufnahme der Rede war am Sonntag an die Öffentlichkeit gelangt. Daraufhin kam es zu Protestkundgebungen in Budapest gegen die Regierung.

Inzwischen dementierte die Regierungssprecherin Emese Dank Gerüchte, wonach die Regierung die Einführung des Ausnahmezustandes erwäge und das Kabinett für Nationale Sicherheit getagt hätte.

Die Onlineausgabe der Wirtschaftstageszeitung „Napi gazadasag“ (www.napigazdasag.hu), kommentiert dazu: Ausländische Beobachter hätten positiv aufgefasst, dass die Sozialisten ihren Regierungschef unterstützen. Die „durchgesickerte“ Rede des Premiers über Lügen und Untätigkeit seines Kabinetts würde die Wahlchancen der Sozialisten bei den Kommunalwahlen am 1. Oktober schmälern, doch sei ohnehin ein negatives Ergebnis für die MSZP prophezeit worden. Dabei sollte die bekannt gewordenen Rede die Entschlossenheit Gyurcsanys für Reformen unterstreichen, was positiv vom Ausland registriert werde. Das könne als Zeichen der erstarkenden Glaubwürdigkeit des Premiers angesehen werden.

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