Ungarischer Regierungschef Orbán in Wien

Es handelt sich offiziell um einen Privatbesuch: Er nimmt an der Diskussionsveranstaltung "Frieden in Europa" der Schweizer Wochenzeitung "Weltwoche" gemeinsam mit dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder teil. Zuvor trifft Orbán Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) und Freiheitlichen-Chef Herbert Kickl.
Die Begegnung mit Rosenkranz ist für 9.30 Uhr im Parlament geplant; Orbán ist der erste internationale Gast des frischgebackenen Nationalratspräsidenten. Das Treffen, das laut Rosenkranz bereits vor seinem Amtsantritt ausgemacht war, sorgte für breite Kritik. Über die Begegnung mit Kickl sind vorerst keine Details bekannt. Die FPÖ und Orbáns Fidesz gehören beide der neuen Rechtsaußen-Europafraktion "Patrioten für Europa" an.
Eine Visite Orbáns bei Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist nicht vorgesehen. In dem Podiumsgespräch mit Schröder, das von "Weltwoche"-Herausgeber Roger Köppel moderiert wird, soll es um die Situation in Europa angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine gehen. Die ausgebuchte Veranstaltung beginnt um 16.00 Uhr in den Sofiensälen in Wien-Landstraße.
Allerdings sind Begegnungen zwischen dem langjährigen ungarischen Ministerpräsidenten, der bereits seit 1989 in der Spitzenpolitik aktiv ist und seitdem insgesamt 18 Jahre regiert hat, auch mit österreichischen Politikern anderer Parteien nichts Ungewöhnliches. Rosenkranz' Vorgänger als Nationalratspräsident, Wolfgang Sobotka (ÖVP), befand sich zudem im regelmäßigen Austausch mit seinem ungarischen Amtskollegen László Kövér, eines der Gründungsmitglieder der Fidesz-Bewegung.
Enger Kontakt der FPÖ mit Orbans Fidesz
Freilich sind die Verbindungen der FPÖ mit Orbáns Partei weit stärker, auch im EU-Parlament kooperieren die rechten Fraktionen. Der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker ist zudem Vorsitzender der offiziellen parlamentarischen Freundschaftsgruppe mit Ungarn. In dieser Funktion lud er zuletzt Ungarns Außenminister Péter Szijjártó ins Parlament ein. Dieser hoffte damals auf eine FPÖ-Regierung, die eine Achse mit Ungarn und der Slowakei bilden könnte.
In Folgenden eine Chronologie dieser Treffen seit 2016 außerhalb des EU-Rahmens:
2016:
26. Juli: Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) besucht Orbán in Budapest. Zentrales Thema der Gespräche, die im Gefolge der Flüchtlingskrise 2015 stattfinden, ist die Migration. Zuvor hatte es teils heftige bilaterale Schlagabtäusche mit Kerns Vorgänger Werner Faymann (SPÖ) rund um die ungarische Asylpolitik und den Bau von Zäunen an den Grenzen zu Serbien und Kroatien gegeben. Die beiden Regierungschefs betonen, "ein neues Kapitel" in den bilateralen Beziehungen aufschlagen zu wollen.
24. September: Kern lädt zu einem Flüchtlingsgipfel nach Wien, an dem auch Orbán teilnimmt. Der ungarische Regierungschef lobt dort die Verbesserung der Beziehungen.
2017:
Die Wahl von Sebastian Kurz zum ÖVP-Obmann im Mai und sein Wahlsieg im Oktober werden von der ungarischen Regierung wohlwollend kommentiert. Zu dieser Zeit ist die Regierungspartei Fidesz noch wie die ÖVP Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP).
13. Juni: Bundespräsident Alexander Van der Bellen absolviert seinen Antrittsbesuch in Ungarn. Er setzt sich dort nach Verabschiedung eines umstrittenen NGO-Gesetzes insbesondere für die in Österreich gegründete Hilfsorganisation SOS Kinderdorf ein. Auch plädiert der ehemalige Grünen-Politiker bei Orbán für eine Einigung bezüglich der Central European University (CEU), deren Weiterexistenz in Ungarn aufgrund eines neuen Gesetzes auf der Kippe steht. Die CEU wurde vom ungarischstämmigen, liberalen US-Milliardär George Soros gegründet, der als Orbáns "Staatsfeind Nr. 1" gilt. Letztlich sieht sich die CEU später gezwungen, ihre Unterrichtsprogramme aus Budapest nach Wien zu verlegen.
2018:
30. Jänner: Ministerpräsident Orbán kommt als erster Auslandsgast der neuen türkis-blauen Regierung zu einem aufsehenerregenden Besuch nach Wien. Die österreichische Opposition übt im Vorfeld Kritik, da Orbán ein "Proponent der illiberalen Demokratie" sei. Während die Stimmung beim Treffen mit Bundeskanzler Kurz eher kühl wirkt, trotz Einigkeit beim Thema Migration, zeigt sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sichtlich begeistert vom ungarischen Regierungschef.
21. Juni: Bundeskanzler Kurz nimmt am Treffen der Visegrád-Staaten (V4) in Budapest teil. Er repräsentiert den turnusmäßigen EU-Ratsvorsitz Österreichs kurz vor dessen Beginn am 1. Juli. Kurz pocht gemeinsam mit Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Polen auf eine harte Linie in der EU-Flüchtlingspolitik.
2022:
28. Juli: Nach mehrjähriger Pause im Gefolge der politischen Verwerfungen in Österreich nach Ibiza und der Corona-Pandemie absolviert Orbán erst nach vier Jahren erneut einen offiziellen Besuch in Österreich, diesmal bei Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Orbán steht wegen seiner vorhergehenden Kritik an "Rassenvermischung" unter Beschuss. Er betont, es gehe ihm "nicht um Rasse, sondern um Kultur". Zu diesem Zeitpunkt ist Orbáns Fidesz bereits nicht mehr Mitglied der EVP, das sie 2021 nach längerer Entfremdung verlassen hatte.
3. Oktober: Nehammer trifft Orbán und den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić in Budapest zum ersten von mehreren trilateralen Migrationsgipfeln. Hauptthema ist die Verstärkung der Flüchtlingsströme über die Balkanroute, insbesondere der starke Anstieg der illegalen Migration in die EU aus Indien und Tunesien über Serbien aufgrund der dortigen Visafreiheit. Diese wird später aufgehoben.
16. November: Zweiter trilateraler Migrationsgipfel, diesmal in Belgrad.
2023:
7. Juli: Dritter trilateraler Migrationsgipfel, diesmal in Wien. Dort übt Nehammer heftige Kritik an Orbáns Migrationspolitik. "Es stimmt zwar, dass sich die irregulären Migranten nicht in Ungarn aufhalten, aber zu 80 Prozent durch Ungarn nach Österreich kommen und wir haben dann 109.000 Asylanträge und Ungarn hat 45", so der Kanzler vor den Medien.
2024:
30. Juni: Nach den EU-Wahlen präsentiert Orbán in Wien gemeinsam mit FPÖ-Chef Kickl und Tschechiens Ex-Premier Andrej Babiš die neue Rechtsaußen-Europafraktion "Patrioten für Europa". Ihr gehören etwa auch der französische Rassemblement National, die italienische Lega oder die spanische Vox an. Der neue Zusammenschluss wird mit 84 Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im Europaparlament.
(APA)
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