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Uncle Boonmee

Wer wegen Suspense, Action und Stars ins Kino geht, wird sich bei Apichatpong Weerasethakul wohl im falschen Film wähnen. Dass "Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives" (Originaltitel: "Lung Boonmee Raluek Chat"), das neue Werk des thailändischen Regisseurs, heuer in Cannes die Goldene Palme gewann, überraschte sogar das Fachpublikum.
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Zu fern von gewohnter Filmkost scheint diese fantastische und schwerelose Geschichte, die an die Grenze Thailands und konventioneller Erzählformen führt
Weerasethakul hat eine steile Karriere hinter sich. Fünf Langfilme hat er seit dem Jahr 2000 gedreht und gilt schon als der bedeutendste Regisseur des Weltkinos der Gegenwart. Daneben hat der 40-jährige Thailänder – der sich der Einfachheit halber “Joe” nennen lässt – auch viele Kurzfilme gedreht und Kunstinstallationen realisiert. “Uncle Boonmee” ist der Schlusspunkt eines solchen Kunstprojekts über ein Gebiet an Thailands Grenze zu Laos, das auf eine gewalttätige Vergangenheit zurückblickt. Die Armee verfolgte dort ab den 1960ern angebliche Kommunisten. Aber das ist nur einer von vielen Bezügen zwischen Buddhismus und populärem Thai-TV.

“Vielleicht muss ich sterben, weil ich zu viele Kommunisten getötet habe”, sagt der Farmbesitzer Boonmee an einer Stelle des Films. An einer Nierenkrankheit leidend und von einem laotischen Gastarbeiter gepflegt, hadert er mit seinem Schicksal und erhält Trost vom Geist seiner verstorbenen Frau und seinem Sohn, der sich – vor Jahren verschwunden – in einen Affengeist verwandelt hat. Diese Ausgangssituation zeigt Weerasethakuls Vorliebe für Grenzbereiche. Mit großer Selbstverständlichkeit und traumwandlerischer Leichtigkeit führt er den Zuschauer in eine Welt, in der die Übergänge zwischen Mensch und Tier, Leben und Tod, fließend sind. Auch die zu seinen früheren Filmen, deren Figuren sich hier ohne große Gesten dazwischen schummeln.

Ebenso fließend ist die Erzählweise. Kaum sitzt man noch in der nach Vorbild älterer thailändischer TV-Serien betont steif agierenden Runde aus Toten, Untoten und Todgeweihten, schon sieht man eine Prinzessin, die der Liebe ihres Sklaven entflieht, um sich in einem Teich vor einem pittoresken Wasserfall einem Katzenfisch sexuell hinzugeben. Gegen Ende wechseln Szenario und Stimmung gänzlich, auch das ist typisch für Weerasethakul. In einem schmucklosen Hotelzimmer vor laufendem Fernseher findet der Zauber ein recht profanes Ende.

“Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives” ist sanfte politische Kritik, gemischt mit spiritueller Reise und geschickt-vertrackter Erzählung. Und es ist ein handwerklich fein gemachter Film, der einen mit schwerelosen Bildern und exotischen Klängen in seine Dschungelwelt hineinsaugt. Geduldige Kinobesucher sollten kein Problem haben, sich in Weerasethakuls Welt zu verlieren und beim Anblick der dem Trash-TV entlehnten rotäugigen Affengeister im finsteren Wald zu gruseln.

www.uncle-boonmee.de