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Umstrittene Mauer in Nahost

Der geplante "Schutzwall", mit dessen Bau am Sonntag begonnen werden soll, ist auch in Israel nicht unumstritten.

Stacheldraht, Zäune und Gräben könnten Anschläge nicht völlig verhindern, räumt die stellvertretende Verteidigungsministerin Dalia Rabin-Pelossof ein. Dennoch soll die Grenze zum Westjordanland auf einer Länge von insgesamt 350 Kilometern elektronisch abgesichert werden. Die Kosten von umgerechnet mindestens 210 Millionen Euro für das Mammutprojekt scheinen vielen angesichts der schweren Wirtschaftskrise übertrieben. UNO und Weltbank warnen gar, eine verstärkte Blockade der Palästinensergebiete werde „Armut und Verzweiflung“ dort fördern und damit zu neuem Terror führen.

Im Norden von Jerusalem haben die Bauarbeiten bereits begonnen. Dreißig Unternehmen sollen zunächst die Regionen um Jenin, Kalkilia und Tulkarem sowie ganz Jerusalem vor unkontrolliertem Zugang schützen. Ein 110 Kilometer langes Teilstück zwischen den Ortschaften Kfar Kassem und Kfar Salem soll innerhalb der nächsten sechs Monate fertig gestellt werden, wie Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer sagte. Sperren werden den Plänen zufolge von elektronischen Absicherungen unterstützt. Mit ähnlichen Systemen schützt Israel seine Grenzen zum Libanon, zu Syrien – und Jordanien, mit dem immerhin seit 1994 ein Friedensvertrag besteht.

Den Palästinensern entsteht vor allem wirtschaftlicher Schaden. Schon das wiederholte Einrücken der israelischen Armee in die Gebiete der Selbstverwaltung ließ die Arbeitslosenquote auf eine Rekordhöhe ansteigen. Nach Schätzungen von UNO und Weltbank lebt die Hälfte der drei Millionen Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen unterhalb der Armutsgrenze. Eine verschärfte Blockade werde die wirtschaftliche Not weiter verschärfen, warnen die internationalen Organisationen – und damit auch die Sicherheit der Israelis wieder aufs Spiel setzen.

Dabei soll der Schutzwall genau dieses Sicherheitsempfinden in Israel stärken. Für Menschen, die „von Anschlägen terrorisiert“ würden, spiele die Absperrung eine „wichtige psychologische Rolle“, sagt Jim Lederman. Der Sicherheitsexperte betont, die Barriere könne die „Menge an Sprengstoffen“, die auf israelisches Gebiet gebracht würden, lediglich reduzieren. Absolute Sicherheit sei nicht zu haben. Auch für Uzi Landau, den rechtsgerichteten Likud-Sicherheitsminister, ist eine Mauer „nur ein Element“ im Kampf gegen die „terroristischen Infrastrukturen“.

Den einflussreichen jüdischen Siedlern im Westjordanland dagegen geht die Abschottung zu weit. Ihre Dörfer im palästinensischen Autonomiegebiet würden mit der neuen Mauer noch mehr vom israelischen Mutterland isoliert. Wartezeiten an den Kontrollpunkten gehören für die mehr als 200.000 Siedler bereits heute zum Alltag. Auch 100.000 Palästinenser aus den Autonomiegebieten arbeiteten vor Beginn der so genannten Al-Aksa-Intifada im Herbst 2000 in Israel – in Tourismus, Bau und Landwirtschaft werden die Arbeitskräfte nun gesucht.

Die größten Probleme haben viele Israelis mit der politischen Bedeutung des umstrittenen Bauvorhabens. Die so genannte „Grüne Linie“, die Israel und das Westjordanland seit dem Sechstagekrieg von 1967 trennt, würde mit Mauer und Stacheldraht zur festen Grenze – zwischen Isreal und einem künftigen Palästinenserstaat. Genau dies lehnt die Regierung von Ariel Sharon bisher aber kategorisch ab. Von einer Grenze wird deshalb auch in Zukunft nicht die Rede sein.

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