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Ukraine: Stichwahl wahrscheinlich

Der westlich orientierte Oppositionspolitiker Viktor Juschtschenko hat Exit-Polls zufolge die erste Runde der Präsidentenwahl in der Ukraine gewonnen. Allerdings errang der Ex-Ministerpräsident offenbar keine absolute Mehrheit.

Das ging am Sonntagabend aus Prognosen unabhängiger Wahlbeobachter hervor. Demnach kommt es in drei Wochen zu einer Stichwahl zwischen Juschtschenko und Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, der vom seit 1994 autokratisch regierenden Amtsinhaber Leonid Kutschma unterstützt wird. Die Wahl war von Unregelmäßigkeiten und massiven Sicherheitsvorkehrungen begleitet.

Den Prognosen zufolge stimmten am Sonntag 45 Prozent für Juschtschenko und 37 Prozent für Janukowitsch. Die Zahlen basierten auf Nachfragen bei 20.000 Wählern. Andere Exit-Polls sahen den Oppositionsführer nur knapp voran, mit 42 zu 40 Prozent. Lediglich eine von einem russischen Meinungsforschungsinstitut durchgeführte Umfrage gab Janukowitsch mit 43 zu 39 Prozent die relative Mehrheit.

Die Wahl galt als richtungsweisende Entscheidung darüber, ob sich die Ukraine enger an den Westen oder an Russland anlehnt. Insgesamt traten 24 Kandidaten an. Umfragen vor der Wahl hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Janukowitsch und Juschtschenko vorausgesagt. Janukowitschs Sprecher, Gennadi Korsch, erklärte am Sonntagabend laut einer Meldung der Nachrichtenagentur ITAR-Tass, der Ministerpräsident habe die Wahl gewonnen, jedoch keine absolute Mehrheit erreicht.

Berichte über Unregelmäßigkeiten

Überschattet war der Urnengang von Vorwürfen der Opposition, die Regierung habe versucht, Wähler einzuschüchtern. Die Nachrichtenagentur Unian berichtete, in den Hochburgen der Opposition im Osten des Landes sei mehr als 100 Mitgliedern der regionalen Wahlkommissionen der Zugang zu Wahllokalen verwehrt worden. In Odessa am Schwarzen Meer seien ein Oppositionspolitiker und der Chef eines Wahllokales von der Polizei angegriffen worden, sagte Juschtschenko.

Aus Sorge vor Zusammenstößen mit Regierungsanhängern oder der Polizei hatte die Opposition ihre für Sonntag angesetzten Proteste abgesagt und stattdessen ihre Anhänger aufgefordert, die Auszählung der Stimmen zu überwachen.

Unabhängige Wahlbeobachter kritisierten „ernsthafte Unregelmäßigkeiten“. Zahlreiche Wähler hätten ihre Stimme nicht abgeben können, weil ihre Namen nicht auf den Wählerlisten standen, bemängelte die Nicht-Regierungsorganisation ENEMO, die Wahlbeobachter aus 16 Ländern Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion umfasst.

Zudem seien Studenten von ihren Rektoren unter Druck gesetzt worden. Die ukrainischen Medien berichteten von Problemen mit den Wählerlisten in Kiew, Charkow, Simferopol und Lwiw (Lemberg). Vertreter der Opposition sprachen zudem von mehreren Fällen, in denen Wahlzettel ungültig oder bereits im Sinne Janukowitschs vormarkiert gewesen seien.

Juschtschenko sagte, trotz des „Chaos“ sei die Wahl „die einmalige demokratische Chance auf die Errichtung eines Rechtsstaates“. Schon seit Beginn des erbitterten Wahlkampfes hat die Opposition dem Regierungslager gewaltsame Einschüchterungsversuche und möglichen Wahlbetrug vorgeworfen. Rund 150.000 Sicherheitskräfte waren am Wahltag im Einsatz. In Kiew errichtete die Polizei eine Barrikade um den Sitz der Wahlkommission, davor parkten mehrere Militärfahrzeuge. Auch Wasserwerfer wurden bereitgestellt.

Der 66-jährige Kutschma durfte nach zehn Jahren autoritärer Regierung nicht erneut kandidieren. Der scheidende Staatschef versuchte, die aufgewühlte Stimmung zu beruhigen. Die Ukraine werde ganz unabhängig vom Ausgang der Wahl ihre Verbindung zu Europa verstärken. Sein Wunschkandidat Janukowitsch gilt allerdings als treuer Verbündeter Moskaus. Zu seinen Zielen gehört die Einführung von Russisch als zweiter Amtssprache.

Juschtschenko steht dagegen für einen pro-westlichen Kurs. In den Wahlkampf war er zudem mit dem Versprechen gezogen, die weit verbreitete Korruption im Land bekämpfen zu wollen. Der 50-jährige Ex-Zentralbankchef und frühere Ministerpräsident leidet seit Wochen an einer rätselhaften Infektionskrankheit. Er gibt an, vermutlich vergiftet worden zu sein.

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