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Ukraine: Regierung abgesetzt

Aus Protest gegen das Gas-Abkommen mit Russland hat das ukrainische Parlament am Dienstag die Absetzung des Kabinetts beschlossen. Ministerpräsident Jechanurow soll bis zur Neuwahl im März weiterregieren.

Die Abgeordneten im 450 Sitze zählenden Parlament stimmten mit 250 zu 50 für die Entlassung von Juri Jechanurow und seiner Minister. Sie wurden zugleich beauftragt, bis zur ohnehin geplanten Parlamentswahl im März die Amtsgeschäfte fortzuführen.

Die Entlassung des Kabinetts sei verfassungswidrig, sagte Präsident Viktor Juschtschenko. Er werde zunächst seine Anwälte einschalten und kündigte an, gegen das Votum vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Auch Jechanurow erklärte die Abstimmung für nicht bindend. „Die Leute wollten nur spielen, das wird keine Auswirkungen haben“, sagte der Regierungschef. Justizminister Serhi Golowati bezeichnete die Situation als absurd. Weder der Präsident noch das Parlament könnten eine neue Regierung bilden, bis das neue Parlament gewählt werde.

In der Parlamentsabstimmung, die vor allem von der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko vorangetrieben worden war, sammelte die Opposition 250 Stimmen, während sich die Regierungsparteien enthielten. Der Staatschef konnte wegen einer Reise nach Kasachstan nicht direkt in die neue politische Krise eingreifen. Bei der Amtseinführung des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew in Astana wollte Juschtschenko am Mittwoch mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin über den gerade erst beigelegten Gas-Streit sprechen.

Nach wochenlangem Preisstreit und einem zeitweiligen Lieferstopp nach Silvester hatten Moskau und Kiew erst am vergangenen Mittwoch einen Kompromiss gefunden. Dieser sieht vor, dass die Ukraine künftig fast doppelt so viel für aus Russland, Turkmenistan und Kasachstan importiertes Gas zahlt. Der neue Durchschnittspreis für die Ukraine von 95 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas wurde aber nur für ein halbes Jahr garantiert.

Die Opposition im ukrainischen Parlament nannte den am 4. Jänner geschlossenen Vertrag mit dem russischen Gasriesen Gazprom einen „Verrat an nationalen Interessen der Ukraine“. Jechanurow habe bei einem Rechenschaftsbericht zu dem Gasgeschäft am Dienstag „keine wahrheitsgemäßen Informationen gegeben“, kritisierte der Parlamentsvorsitzende Wladimir Litwin.

Timoschenko hatte die Einigung im Gas-Streit von vornherein kritisiert und rechtliche Schritte angedroht. Die Politikerin, die wegen ihrer erfolgreichen Karriere in der ukrainischen Energiebranche Mitte der 90er Jahre von ihren Landsleuten auch „Gas-Prinzessin“ genannt wird, war im September inmitten von Korruptionsvorwürfen gegen Mitglieder ihrer Regierung von Juschtschenko entlassen worden. Aus den einstigen Partnern, die bei der Orangen Revolution 2004 noch geschlossen gegen das alte System gekämpft hatten, sind Gegner geworden. Bei den anstehenden Wahlen am 26. März will Timoschenko gegen Juschtschenkos Parteienbündnis „Unsere Ukraine“ antreten.

Der Gas-Vertrag zwischen der Ukraine und Russland wird durch die Entlassung des Kabinetts nach Ansicht von Analysten nicht ungültig, weil es sich um ein Wirtschaftsabkommen handelt. Auch Jechanurow versicherte, er werde alles tun, damit die politischen Entwicklungen keinen Einfluss auf das Gas-Abkommen hätten.

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