Ukraine - Erneut Explosionen im Zentrum von Kiew und anderen Regionen

Es gebe Luftalarm, die Menschen sollten Schutz suchen, so Bürgermeister Witali Klitschko. Am Himmel sei ein Feuerball zu sehen gewesen, berichtete eine Reporterin aus dem Zentrum. Auch aus der Region Dnipropetrowsk wurde ein Raketeneinschlag gemeldet: In einer Energieanlage sei ein großes Feuer ausgebrochen, teilte der Gouverneur Waletyn Resnitschenko mit.
"Bleiben Sie in den Schutzräumen"
Laut Klitschko gab es drei Explosionen, eine davon im Kiewer Innenstadtbezirk Schewtschenkiwskyj. Der Bezirk wurde bereits vergangene Woche von mehreren Luftangriffen getroffen. Womöglich war die Luftabwehr aktiv gegen neue russische Raketenangriffe. Bestätigt wurde dies nicht. Kurz zuvor hatten die Sirenen vor Luftangriffen gewarnt. "Bleiben Sie in den Schutzräumen!", warnte Klitschko die Hauptstadtbewohner in den Online-Netzwerken.
In der Energieanlage in Dnipropetrowsk sei in der Nacht eine Rakete eingeschlagen, teilte Gouverneur Resnitschenko per Kurznachrichtendienst Telegram mit. "Drei feindliche Raketen wurden von unseren Luftverteidigungskräften zerstört", schrieb er. "Eine Rakete hat eine Energieinfrastrukturanlage getroffen. Es gibt ein großes Feuer. Alle Dienste auf dem Gelände arbeiten." Angriffe auf kritische Infrastruktur wurden außerdem in der Region Sumy gemeldet, wie die Nachrichtenagentur Ukrinform meldete.
"Es zeigt ihre Verzweiflung"
Andrij Jermak, Chef des ukrainischen Präsidentenstabs, schrieb in der Messaging-App Telegram von Angriffen mit Kamikaze-Drohnen. "Die Russen denken, dass es ihnen helfen wird", sagte Jermak, " es zeigt ihre Verzweiflung." Ob es Opfer gab, war vorerst unklar.
Vor einer Woche hatte Russland mit Raketen ebenfalls zum Wochenbeginn im Berufsverkehr in der Früh das Zentrum von Kiew und zahlreiche andere Städte beschossen. Zuvor war es zu einer Explosion auf der Brücke zu der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim gekommen. Kremlchef Wladimir Putin hatte dem ukrainischen Geheimdienst einen "Terroranschlag" gegen die Brücke vorgeworfen - und dann die Raketen als Vergeltung abschießen lassen. Dabei starben mehr als ein Dutzend Menschen, mehr als 100 wurden verletzt.
NATO keine Kriegspartei
Putin hatte am vergangenen Freitag gesagt, es seien bei den Angriffen nicht alle Ziele getroffen worden. Zugleich betonte er, dass er neue massive Schläge wie vor einer Woche nicht für nötig halte. Die militärische "Operation" werde zu Ende gebracht, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Sonntag im Staatsfernsehen. Das werde zwar erschwert von der Hilfe westlicher Staaten für die Ukraine. Aber Russland habe genug Potenzial zur Fortsetzung des Einsatzes. Er sagte, die NATO sei "de facto" schon in den Konflikt involviert.
Die NATO-Staaten betonen, keine Kriegspartei zu sein. Die Hilfe für die Ukraine gilt als Unterstützung des Selbstverteidigungsrechts des Landes, das in die EU und die NATO strebt.
Der Politikwissenschafter Gerhard Mangott hatte am Sonntagabend bereits betont, dass die russischen Streitkräfte ihre Raketenangriffe auf kritische Infrastruktur in der Ukraine weiter fortsetzen werden. Russland wolle dadurch einerseits die Ukraine unter Druck setzen, anderseits aber auch die Europäische Union, indem es darauf setze, dass diese Angriffe eine neue Flüchtlingswelle auslösen, so der Russland-Experte am Sonntag im "ZiB2"-Interview.
Putin habe die Bombardierungen auf Druck der rechten Nationalisten angeordnet, die ihm vorwerfen, dass er den Krieg in der Ukraine zu zögerlich führe. Zudem könne so auch die ukrainische Wirtschaft weiter geschädigt werden, so der Russland-Experte. Die ukrainische Wirtschaft sei heuer schon um 35 Prozent eingebrochen, weitere Schäden an der Infrastruktur und der Mangel an Arbeitskräften, ausgelöst durch neue Fluchtbewegungen, würden die Wirtschaft nur weiter schädigen, zeigt sich Mangott überzeugt. Dennoch sei die Moral in der Ukraine sehr hoch.
"Entnazifizierung"
Putin hatte die russische Invasion Ende Februar mit einer angeblichen Bedrohung durch das Nachbarland begründet. Als Ziele gab er die "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung" der Ukraine an. Außerdem soll das Land einen neutralen Status behalten und die Gebiete Donezk, Luhansk sowie die seit 2014 besetzte Halbinsel Krim aufgeben.
Nach Angaben des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte beschossen russische Streitkräfte weiterhin ukrainische Stellungen an mehreren Fronten, darunter Städte in den Regionen Charkiw, Donezk und Cherson. Die schwersten Kämpfe fänden nördlich von Bachmut statt, schrieb der ukrainische Militärexperte Oleh Schdanow in der Nacht auf Montag im Internet.
"Frontlinie verschiebt sich ständig"
Die ukrainischen Streitkräfte hätten in den vergangenen 24 Stunden russische Vorstöße auf die Städte Torske und Sprine zurückgeschlagen. "(Die Russen) haben beschlossen, durch Torske und Sprine zu ziehen." Die Frontlinie verschiebe sich ständig. "Unser Kommando verlegt Verstärkungen dorthin, Männer und Artillerie, um der russischen Überlegenheit in diesen Gebieten zu begegnen."
Die Nachschubprobleme der russischen Truppen im Süden der Ukraine haben sich nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes infolge der Explosion auf der Krim-Brücke am 8. Oktober verschärft. Die Versorgungswege durch die Krim seien schwierig, die Lage der russischen Truppen in der gegenüberliegenden südukrainischen Region Cherson sei angespannt. Daher werde die Versorgung auf dem Landweg durch die Region Saporischschja immer wichtiger, twitterte das britische Verteidigungsministeriums aus dem aktuellen Geheimdienstbericht am Montag. Die russischen Truppen in der Südukraine würden vermutlich jetzt ihren Nachschub über die Hafenstadt Mariupol verstärken.
(APA)
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