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Türkei-Reise als Anwalt der Kirchen

Zwei Wochen nach der Wahl seines Landsmanns Joseph Ratzinger zum Papst reist der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder auch als Anwalt der christlichen Kirchen in die Türkei.

Mit seinem demonstrativen Besuch beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., dem Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit, am morgigen Mittwoch im Phanar in Istanbul gibt Schröder der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sehr deutlich zu verstehen, dass sie in ihrem Streben nach EU-Mitgliedschaft nicht daran vorbeikommen wird, den religiösen Minderheiten im Land die gleichen Rechte einzuräumen, die von Muslimen in EU-Staaten in Anspruch genommen werden.

Die katholische und die evangelische Kirche Deutschlands erwarten von der Bundesregierung, dass sie Ankara stärker als bisher zur Respektierung der christlichen Gemeinschaften drängt. Sie kritisieren die besonders krasse Form von Ungleichbehandlung: Während in Deutschland muslimische Gemeinden beim Bau von Moscheen staatliche Unterstützung erhielten, seien die Christen in der Türkei weithin rechtlos und der Willkür der Behörden ausgeliefert.

Kirchen gegen EU-Beitritt

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber von Berlin-Brandenburg, und der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, haben sich gegen die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union unter den derzeitigen Voraussetzungen ausgesprochen. Sie betonten, dass für Christen in der Türkei keine Religionsfreiheit herrsche, die Kirchen existierten im rechtsfreien Raum. Zwar erkennt Ankara den Vatikan als Staat an, nicht aber die katholische Kirche als Religionsgemeinschaft auf türkischem Territorium.

Die Christen in der Türkei müssten endlich „volle und uneingeschränkte Religionsfreiheit“ erhalten, sagte Bischof Huber und fügte hinzu: „Davon sind wir noch weit entfernt“. Auch die Menschenrechtssituation sei nach wie vor problematisch. Die EKD-Synode forderte von der Türkei eine „ehrliche und öffentliche“ Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, besonders mit dem Genozid an den Armeniern im Ersten Weltkrieg, sonst sei keine Entwicklung möglich, die „vom Geist der Gerechtigkeit und vom Streben nach Gerechtigkeit und Frieden“ getragen sei.

Keine Anerkennung

Das seit dem Jahr 330 (Reichsgründung durch Konstantin den Großen) bestehende Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, das geistliche Zentrum der Weltorthodoxie, wird vom türkischen Staat als solches nicht anerkannt, seine Immobilien wurden großteils enteignet. Die theologische Ausbildung wurde 1970 durch die Schließung der berühmten Priesterakademie auf der Prinzeninsel Halki (Heybeli) im Marmarameer unmöglich gemacht. Erst in den 1990er Jahren hatte Ankara unter starkem Druck westeuropäischer Regierungen den islamischen Zwangs-Religionsunterricht für nichtmuslimische Kinder durch eine höchstgerichtliche Entscheidung aufgehoben.

Die EU-Kommission hat die Türkei wiederholt aufgefordert, die Lage der nichtmuslimischen Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Patriarch Bartholomaios I. und alle nichtmuslimischen Minderheiten unterstützen einen türkischen EU-Beitritt. Nur dann sehen sie eine Chance, dass ihre Diskriminierung beendet wird. Der Generalstab in Ankara wandte sich laut Presseberichten gegen eine rechtliche Besserstellung des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel mit Sitz im Phanar am Goldenen Horn in Istanbul.

Schröder, einer der wichtigsten Fürsprecher der Türkei in der EU, will kommende Woche den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., das Oberhaupt der Weltorthodoxie, besuchen, um auf die Probleme der Christen in der Türkei aufmerksam zu machen.

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