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Türkei: Kaplan wegen Hochverrats vor Gericht

Der aus Deutschland abgeschobene Islamistenführer Metin Kaplan hat die gegen ihn in der Türkei erhobenen Terrorvorwürfe zurückgewiesen. Dem selbst ernannten „Kalifen von Köln“ droht eine lebenslange Haftstrafe.

Die Anklage wirft ihm vor, 1998 einen Sprengstoffanschlag auf das Mausoleum von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk in Ankara geplant haben. Er habe das säkulare System stürzen und einen Gottesstaat errichten wollen. Das Verfahren soll im April fortgesetzt werden.

Als erfunden bezeichnete Kaplan die Anschuldigung, er habe den Auftrag für einen 1998 geplanten Terroranschlag auf das Atatürk-Mausoleum in Ankara gegeben. Dabei sollte die dort zum Nationalfeiertag versammelte türkische Staatsspitze mit einem mit Sprengstoff beladenen Kleinflugzeug angegriffen werden. Am Tag vor dem Fest wurden 23 mutmaßliche Anhänger Kaplans verhaftet.

„Der Islam ist Religion und Staat zugleich“, sagte er. Das sei aber nicht gleichbedeutend mit Gewaltbereitschaft. „Ich bin Moslem“, sagte Kaplan. „Der Islam verbietet Terror, kein Moslem kann Terrorist sein.“ Die Anschuldigungen gegen ihn basierten auf Aussagen mutmaßlicher militanter Islamisten, die unter Folter zu Stande gekommen seien. Sein Aufruf zum Heiligen Krieg gegen die säkulare Türkei sei missverstanden worden, sagte Kaplan.

Kaplan wurde unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Gerichtssaal in Istanbul gebracht. Unmittelbar vor Prozessbeginn wurde er noch einmal ärztlich untersucht. Sein Verteidiger Ismet Koc sagte, Kaplan sei in keinerlei Gewalt verwickelt und stehe nur vor Gericht, weil er seine religiöse Pflicht ausgedrückt habe.

Koc meinte, er hoffe, dass sich die türkischen Reformgesetze für seinen Mandanten positiv auswirken würden. Deshalb begrüßte er die Vertagung auf den April. Am 1. April tritt in der Türkei ein neues Strafrecht in Kraft; auch die Strafprozessordnung ist vor kurzem reformiert worden. Die Verteidigung will bis zum nächsten Verhandlungstag beantragen, den „Kalifen von Köln“ für die Dauer des Verfahrens auf freien Fuß zu setzen. Die Verteidigung rechnet mit einer Prozessdauer von bis zu über einem Jahr.

Kaplans deutsche Anwältin Ingeborg Naumann, die als Beobachterin den Prozess verfolgt, sagte, mit dem Verfahren stünden auch die Menschenrechte in der Türkei auf dem Prüfstand. Die mit dem Ziel des EU-Beitritts eingeleitete Reformpolitik habe vieles im türkischen Recht verändert, ob dies aber auch in der Praxis umgesetzt werde, stehe in Frage.

Kaplan war vor gut zwei Monaten aus Deutschland abgeschoben worden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte die Abschiebung vor knapp zwei Wochen als rechtmäßig bestätigt. Demnach drohen Kaplan in der Türkei „keine unmenschlichen oder folterähnlichen Haftbedingungen“.

Erst die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei vor zwei Jahren und Maßnahmen gegen Folter haben die Auslieferung Kaplans ermöglicht. Er wurde nach jahrelangem Rechtsstreit Mitte Oktober in die Türkei abgeschoben. Nur wenige Stunden zuvor hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, Kaplan könne trotz eines noch laufenden Revisionsverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht den türkischen Behörden überstellt werden.

Kaplan war der Kopf des inzwischen vom Bundesinnenministerium verbotenen radikalislamischen „Kalifatstaats“. Er hat in Deutschland eine vierjährige Haftstrafe wegen Aufrufs zum Mord an einem Konkurrenten abgesessen. Sicherheitsbehörden zufolge strebt Kaplans Kalifatstaat die Beseitigung der Staatsordnung in der Türkei und die Einführung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scharia an.

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