Das „Martehaus“, ein 1841 errichtetes landwirtschaftliches Gebäude in Nenzing, ist eines von wenigen erhaltenen Häusern dieser Art im Walgau. Mit gemauerten Pfeilern und dazwischen platzierten Holzelementen erinnert es ein wenig an Bündner Häuser. Massiv und klar sind diese von außen meist als Steinhäuser wirkenden Gebäude im Kern oft Holzhäuser. Wohn- und Wirtschaftsteil liegen hintereinander.

Die vertikalen Holzwände sind zumeist mit Lüftungsschlitzen versehen, damit das Heu gut trocknen kann. Das Martehaus war über lange Zeit Standort eines innovativen Landwirtschaftsbetriebs, der ab den 1960er-Jahren vor allem im Gemüseanbau tätig war und Pflanzen bzw. Setzlinge in Glashäusern zum späteren Verkauf zog. Doch auch hier gab es einen Wandel. Der Betrieb wurde unrentabel, dem Gebäude drohte Verfall.

Ender der 1980er-Jahre stand eine Erbschaft an. Entgegen freundschaftlichem Rat entschieden sich Hildegard und Helmut Schlatter das Gebäude zu übernehmen. Eine kulturelle Nutzung war bald mit angedacht, schon in den 1990er Jahren fanden dort erste Kulturveranstaltungen statt. Ab 2005 entwickelte sich der Wunsch, das Gebäude zu revitalisieren und damit auch eine ganzjährige Bespielung möglich zu machen, die sich an einer Kultur für und aus dem ländlichen Raum verstehen sollte. Der Verein „Artenne Nenzing“ wurde gegründet. Heute ist der Verein überregional bekannt und geschätzt und hat mit der baulichen Umgestaltung des „Martehauses“ den Ort zur Programmatik werden lassen, und umgekehrt.

Um ein altes Gebäude nicht nur zu sanieren, sondern zu revitalisieren, braucht es neben der Sensibilität für das zu Erhaltende auch technische Kompetenz. Die Bauherren erkannten die Wichtigkeit der Einbindung professioneller Partner. Für eine erste Beratung wandte sich das Bauherrenpaar an das Vorarlberger Architektur Institut, damals unter der Leitung von Marina Hämmerle. Man entschied sich für die Abhaltung eines Architekturwettbewerbs, zu dem vier Teams eingeladen wurden. Der Feldkircher Architekt Hansjörg Thum bekam den Zuschlag. Die gemeinsame Weiterentwicklung des Wettbewerbsbeitrages begann. Mitgetragen wurde das Projekt ob der erhofften kulturellen Wirkung für die gesamte Region vom EU-Leader-Förderprogramm.

Von außen blieb das Gebäude in seiner Form erhalten. Im Rauminneren wurde der Raum von Einbauten befreit und zwölf Meter lange, durchgehende Dielen aus Weißtanne wurden verlegt. Der ehemalige Kuhstall wandelte sich zum ganzjährig nutzbaren Raum mit 400 m2 Spielfläche für Kultur und Kunst aller Sparten. Zwei Treppen aus rohem Walzblech stehen wie Möbel im Raum und ersetzen die ehemals in der Scheune verwendeten Holzleitern.

Dem Architekt und den Bauherren gelang es, die Atmosphäre der Scheune zu erhalten und dennoch einen funktionierenden Ausstellungs- und Veranstaltungsraum zu realisieren. Der Architekturpublizist Otto Kapfinger bezeichnete das Projekt als „ein Beispiel von allgemeinster Relevanz, wie aus Privatinitiative, mit minimalen Mitteln, mit Einbindung institutioneller und professioneller Kompetenz alltäglicher, unspektakulärer Raum für neue Nutzungen belebt werden kann und damit öffentlicher, baukultureller Mehrwert entsteht.“

Es ist ein schöner Erfolg, dass sich die Artenne mit dem Bau auch als Verein weiterentwickelte und der Wert der Arbeit, die hier entsteht, von vielen kulturinteressierten Menschen erkannt und geschätzt wird. Auch aus Architekturkreisen kommt Bestätigung. Das Projekt war 2011 einer der Preisträger des ZV Bauherrenpreises und bekam 2013 den BTV Bauherrenpreis überreicht.
Daten und Fakten
Objekt: Artenne Nenzing
Eigentümer/Bauherr: Hildegard und Helmut Schlatter/Artenne
Architektur: Hansjörg Thum, Feldkirch
Statik: Martin Albrecht, Schaan,
Fachplaner: Elektroplanung: Licht und Wärme, Raggal; Landschaftsarchitektur (Beratung): Gruber und Haumer, Bürs
Planung: Oktober/2009–Mai/2010
Ausführung: Juni/2010–Juli/2010
Grundfläche: Stall 175 m²
Nutzungsfläche: 350 m²
Bauweise: Ständerbau, Holzdecken; Kaltdach mit Ziegeldeckung; historische Dielenböden
Besonderheiten: Stiegen: Walzblech, 12 m lange Dielen aus Weißtanne im Tenn, Böden sonst: Gussasphalt
Ausführung: Baumeister: Ammannbau, Nenzing; Zimmerer: Martin Burtscher, Ludesch; Elektro: Licht und Wärme, Raggal; Siegen: Metallbau Summer, Weiler, Gussasphalt: LEITE ASPHALT + Bitu Terrazzo® Böden GmbH., Dornbirn
Baukosten: ca. 120.000 Euro (netto)
Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der “Vorarlberger Nachrichten”
Für den Inhalt verantwortlich:
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