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Tschetschenen-Mord: Polizei räumt "Fehleinschätzung" ein

Nachdem Innenministerin Maria Fekter (V) klar gestellt hatte, dass der am 13. Jänner in Wien-Floridsdorf erschossene Umar Israilov doch an Personenschutz interessiert gewesen war, räumte der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl eine "Fehleinschätzung" ein. Neue Beweismittel  

Die Behörden hätten Schutzmaßnahmen abgelehnt, weil sie kein konkretes Bedrohungsszenario erkannten.

“Wenn polizeiliche Prognosen im Endeffekt nicht stimmen, ist das selbstverständlich bedauernswert. Das heißt aber noch nicht, dass ein polizeiliches Fehlverhalten vorliegt”, meinte Pürstl im Rahmen einer Pressekonferenz. Es sei polizeilicher Alltag, “dass Ex-Ante-Prognosen mit Ex-Post-Betrachtungen nicht übereinstimmen. Daraus kann man noch nicht auf schuldhaftes Fehlverhalten schließen”.

Mit den Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und der International Helsinki Federation for Human Rights sowie dem Flüchtlingsbetreuer des Tschetschenen hatten mehrere Stellen um Schutzmaßnahmen für den 27-Jährigen ersucht. Kritik an der ablehnenden Haltung der Polizei wies Pürstl zurück: “In der Öffentlichkeit sind nur einzelne Fragmente dieses Falls bekannt. Wenn man Seite 200 eines Kriminalromans liest, kann daraus auch nicht auf den ganzen Roman geschlossen werden.”

Die Innenministerin betonte, man werde allfällige Fehler der Exekutive im Zusammenhang mit der Ermordung des Tschetschenen untersuchen. “Sollten tatsächlich Fehler passiert sein, dann sind diese auch zu klären und die Konsequenzen daraus zu ziehen”, meint die Ressortchefin im APA-Gespräch. Dieser “Kriminalfall” sei äußerst komplex. Es werde in die verschiedensten Richtungen ermittelt.

Der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, stellte eine parlamentarische Anfrage, in der er die Gründe für die – inzwischen dementierte – ursprüngliche Darstellung Fekters wissen und außerdem Aufklärung über Verbindungen zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB haben will.

Das Innenministerium wies einen “News”-Bericht über die angebliche Beschäftigung eines Geheimdienstlers im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Jahr 2004 zurück. “Wir können dazu auf jeden Fall sagen, dass keine Mitglieder des russischen Geheimdienstes beim BVT für einen längeren Zeitraum tätig waren”, betonte Sprecher Rudolf Gollia. Kontakte zu Mitarbeitern habe es gegeben – genauso wie bei Diensten anderer Länder auch. Eine Arbeit über Tage, Wochen oder Monate im BVT sei aber ausgeschlossen. Daten oder Informationen über russische Asylwerber seien mit Sicherheit nicht bekanntgegeben worden, so Gollia.

Über die Untersuchung der Namens-Liste der Rebellenwebseite “Chechenpress” mit angeblichen Zielpersonen des russischen Geheimdienstes werden keine Informationen mehr veröffentlicht. Dies wäre für den Schutz potenziell gefährdeter Personen nicht sinnvoll, erklärte Gollia. Dies bedeute allerdings nicht, dass bereits Maßnahmen eingeleitet wurden. Ob neben Umar Israilov weitere Flüchtlinge angeführt werden, wird nicht bekanntgegeben.

Die Ermittlungsbehörden legten unterdessen neue Beweismittel vor, die auf die Spur der flüchtigen Mörder des Tschetschenen führen sollen. Zum einen handelt es sich um ein Phantombild eines der beiden Täter, zum anderen legten der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl und der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch, ein Foto einer Tarnjacke vor, die einer der Flüchtigen getragen haben soll.

Die Jacke war kurz nach dem Mord in einer Biotonne in der Nähe jener Supermarktfiliale entdeckt worden, bei der die Mörder ihr Fluchtfahrzeug gewechselt haben dürften. “Einer der beiden Männer hat diese Jacke bei der Tat getragen”, betonte Jarosch. Das Kleidungsstück wird nun auf allfällige DNA-Spuren hin untersucht.

Die Behördenvertreter ersuchten die Bevölkerung um allfällige Hinweise auf den auf den Phantombild dargestellten Unbekannten sowie jenen Mann, der das markante Oberteil zuletzt getragen hatte.

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