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Tschechiens Ministerpräsident: Rücktritt möglich

Der wegen einer Immobilienaffäre umstrittene tschechische Ministerpräsident Stanislav Gross,der jüngste Regierungschef Europas, hat erstmals einen Rücktritt nicht mehr ausgeschlossen.

Diskutabel sei eine Erneuerung der zerbrochenen Koalition aus seinen Sozialdemokraten sowie den Christdemokraten und den Liberalen, sagte Gross am Donnerstag.

Dieses mögliche Bündnis, dem wieder ein Sozialdemokrat vorstehen müsse, sollte sich bis zu regulären Wahlen im Juni 2006 besonders um eine Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages kümmern, sagte Gross.

Eine Bedingung für seinen eventuellen Rücktritt sei, dass die zerbrochene Koalition aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und Freiheitsunion wieder zusammenfinde, sagte Gross – mit 35 Jahren der jüngste Regierungschef Europas – am Donnerstag in Prag. Zudem müssten die Bündnispartner vereinbaren, dass kein Spitzenpolitiker dieser drei Parteien ein Regierungsamt übernimmt. Die aktuelle Regierung ist kaum mehr handlungsfähig. Nach einem Streit über Gross’ private Finanzen kündigten die Christdemokraten das Regierungsbündnis auf. Die noch bestehende Koalition verfügt damit über keine Mehrheit mehr im Parlament. Vergangene Woche war Gross bei einer Vertrauensabstimmung auf die stillschweigende Unterstützung der Kommunisten angewiesen. Dies wiederum hat einige der eigenen Minister verärgert, die nicht mit der Partei der früheren Machthaber paktieren wollen. Fünf Minister sind bereits zurückgetreten, weitere haben damit gedroht. Die Zeitung „Pravo“ zitierte am Donnerstag Kulturminister Pavel Dostal mit den Worten, der Ministerpräsident könnte am Samstag bei einem Treffen der Spitze seiner Sozialdemokratischen Partei der Regierungskrise ein Ende bereiten und zurücktreten. „Ich schließe nicht aus, dass dies passieren kann“, sagte Dostal. Öffentlich hatte Gross bisher die Möglichkeit eines Rücktritts immer ausgeschlossen.

Als ein möglicher Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten nach einem Rücktritt Gross’ gilt Finanzminister Bohuslav Sobotka. Allerdings nicht alle Sozialdemokraten sind von der Idee begeistert, wieder mit den Christdemokraten zu koalieren, die aus ihrer Sicht die Regierungskrise ausgelöst haben. Kaum in Frage scheint eine Regierungsbeteiligung der Kommunisten zu kommen: Dies könnte Experten zufolge sogar eine Spaltung der Sozialdemokraten herbeiführen. Zudem sperrt sich der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus dagegen.

Der Präsident hat die bisherigen Ministerrücktritte daher auch noch nicht angenommen. Zuerst will er eine Klärung der aktuellen Situation. Gross könnte er einen Rücktritt erleichtert haben, indem er für den Fall eines Scheiterns der jetzigen Regierung angekündigt hat, die Sozialdemokraten wieder mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

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