AA

Türkei: Proteste gegen Papst-Besuch

Relativ schwach war die Beteiligung an der Anti-Papst-Demonstration in Istanbul, zu der die islamistische "Glückseligkeitspartei" (Saadet Partisi/SP) aufgerufen hatte.

Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA nahmen statt der erwarteten einen Million Demonstranten lediglich 10.000 bis 15.000 zum Großteil junge Menschen an der Kundgebung teil. Die Agentur Reuters berichtete von 20.000 Teilnehmern.

Die Demonstration verlief ohne Zwischenfälle und ging am Abend zu Ende. Zu den Kundgebungsteilnehmern sprachen eine Reihe von SP-Führern, darunter ihr Präsident Recai Kutan. Dagegen fehlte der charismatische Islamistenführer und Ex-Premier Necmettin Erbakan. Beobachter meinen, dass die Saadet-Partei die Kundgebung vor allem für Werbung in eigener Sache nutzen wollte. Die Partei, die bei den letzten Wahlen nur 1,2 Prozent der Stimmen erhielt, ist nicht im Parlament in Ankara vertreten.

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi berichtete unterdessen unter Berufung auf die italienische Zeitung „La Repubblica“, dass zum Schutz des Papstes während seines am Dienstag beginnenden Türkei-Besuchs auch Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad eingesetzt werden sollen. Sie seien zusammen mit Sicherheitsbeamten des Vatikan in der Türkei eingetroffen, um die türkischen Behörden zu unterstützen.

Laut „La Repubblica“ wurde vor einigen Wochen eine Gruppe von Personen in Istanbul verhaftet, die angeblich einen Anschlag auf Papst Benedikt XVI. vorbereitete. Über die Identität und Nationalität der Festgenommenen wurde nichts bekannt. Auch der für die Ökumene zuständige deutsche Kardinal Walter Kaspar, der den Papst auf seiner Türkei-Reise begleitet, sollte Ziel eines Anschlags werden.

Papst grüßt türkisches Volk

Zugleich richtete er während seiner Ansprache vom Fenster seines Amtssitzes in Rom „herzliche Grüße an das liebe türkische Volk“. Der Vatikan bestätigte unterdessen, dass das Oberhaupt der Katholiken in Istanbul auch die Blaue Moschee, eine der bedeutendsten muslimischen Stätten, besuchen wird. In der türkischen Metropole gab es Demonstrationen gegen den Papst-Besuch.

Benedikt würdigte die reiche Geschichte und Kultur der Türkei. Deshalb wolle er dem Volk sowie den Politikern dieses Landes seine Wertschätzung und aufrichtige Freundschaft bekunden. Eben damit begründete sein Sprecher Federico Lombardi auch den geplanten Besuch in der Blauen Moschee. Dieser sei ein Zeichen des Respekts vor allen Muslimen. Es wäre Benedikts erster Gang als Papst in ein muslimisches Gotteshaus. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte 2001 als erster Papst überhaupt eine Moschee in Damaskus besucht.

In der Türkei hat die Regensburger Papst-Rede mit dem umstrittenen islamkritischen Zitat heftige Proteste ausgelöst. Eben deshalb wird der Respektbekundung ein so hoher Stellenwert beigemessen. In Istanbul versammelten sich am Sonntag mehr als 10.000 Menschen zu einer Demonstration gegen den am Dienstag beginnenden viertägigen Papst-Besuch. Rund 4.000 Polizisten waren im Einsatz, um Ausschreitungen zu verhindern.

Eines der Transparente bei der von einer islamistischen Partei organisierten Kundgebung zeigte Benedikt in einer Kreuzritterrüstung. „Wir haben unendlichen Respekt vor allen Religionen und deren Vertretern, aber wir können nicht still bleiben angesichts Erklärungen, die sich gegen unseren Glauben richten“, sagte einer der Organisatoren, Osman Yumokogullari. Der Papst hatte am 12. September in Regensburg einen byzantinischen Kaiser aus dem 14. Jahrhundert mit den Worten zitiert, der Prophet Mohammed habe nur „Schlechtes und Inhumanes“ gebracht, weil er den Glauben mit dem Schwert verbreiten lassen wollte. Nach Protesten in der islamischen Welt bedauerte Benedikt XVI., dass seine Äußerungen missverstanden worden seien.

Der türkische Ministerberater Tacettin Ural erklärte seinen Rücktritt, nachdem er ein Vatikan-kritisches Buch veröffentlicht hatte. Umweltminister Osman Pepe sei über den Zeitpunkt der Veröffentlichung verärgert gewesen, berichtete die Zeitung „Sabah“ (Sonntagausgabe). Ural sei darauf am Samstag zurückgetreten. In dem Buch wird der Vatikan als „Feind des Fortschritts“ und die katholische Kirche als „moralisch schwach im Namen des Hedonismus“ bezeichnet. Ein Kapitel des Buchs mit der Überschrift „Rom, ein großes Bordell“ berichtet laut der Zeitung über Ausschweifungen im Vatikan des neunten Jahrhunderts.

Die „Nummer zwei“ des Vatikan, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, bekundete indes Unterstützung für den EU-Beitritt der Türkei. „Ich hoffe, dass die Türkei die Bedingungen zum Beitritt zur EU und zur Integration in Europa erfüllen kann“, sagte er nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa in einem TV-Interview. Allerdings fügte er hinzu, dies sei eine politische Entscheidung, in der der Vatikan neutral bleibe.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, erhofft sich von der Reise Verbesserungen für die katholischen Christen in dem muslimischen Land. „Es ist zu hoffen, dass der Papst-Besuch auch die katholische Kirche in der Türkei stärkt, die ja noch immer keine volle Religionsfreiheit genießt“, sagte Lehmann der „Bild am Sonntag“ und fügte hinzu: „Für den nicht immer spannungsfreien Dialog mit dem Islam kann der Besuch wichtige Impulse geben.“ Ebenso wichtig sei eine weitere Annäherung zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche, die dem Papst ein Herzensanliegen sei. Istanbul ist der Sitz des Ehrenvorsitzenden der Weltorthodoxie.

  • VOL.AT
  • Welt
  • Türkei: Proteste gegen Papst-Besuch